Schallschutz


Aktiver Schallschutz


"Aktiver Schallschutz" bedeutet, die Lärment­stehung an der Quelle zu reduzieren oder aber die Lärmquelle weiter vom Einwir­kungsort weg zu bringen. Für Fluglärm heißt das, die Flugzeuge leiser zu machen bzw. sie höher oder weiter entfernt von Ortschaften fliegen zu lassen.

Struktur FFR

Die Geschichte des aktiven Schall­schutzes im Zusammen­hang mit dem jüngsten Ausbau­schritt am Frank­furter Flughafen beginnt mit dem Antilärmpakt, den der damalige Vor­sitzende des "Regio­nalen Dialog­forums", Herr Prof. Dr. Wörner, noch in letzter Minute durch­setzen wollte. Obwohl nie formal verabschiedet, wurde er eine Grundlage der Arbeit der Nachfolge­einrichtung, des Forum Flughafen & Region / Umwelthaus GmbH. Dieses setzte ein Experten­gremium ein, das ein erstes "Massnahme­paket Aktiver Schall­schutz" entwickelte und dazu im Juli 2010 einen Endbericht, im Juni 2012 einen Moni­toring-Bericht und im November 2016 eine 5-Jahres-Bilanz(?) vorlegte.

Allianz-Logos

Parallel dazu wurde auf der Basis einer Gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 2007 im Februar 2012 die Allianz für Lärm­schutz ge­grün­det, die ihre eigene Maß­nahme­liste einführte.
Das sind zwar partiell die gleichen Akteure, sie agieren aber zuweilen durchaus unter­schied­lich, wie nach­folgend gezeigt wird.

Ende 2013 veran­staltete das FFR mit Unter­stützung gewich­tiger Partner zum zweiten Mal (nach 2010) eine "Inter­national Confe­rence on Active Noise Abatement" (Inter­nationale Konferenz Aktiver Schall­schutz), ICANA. Die Dokumen­tation der Vorträge und Links zu Video-Mit­schnitten sind online verfügbar, ebenso wie die dort verab­schie­dete Frank­furter Erklä­rung.
Ende 2016 gab es die dritte Konfe­renz dieser Art, die ebenfalls komplett online ange­sehen und nach­gelesen werden kann. (2015 gab es auch eine ICANA-Kon­ferenz, die diente aber aus­schließ­lich der Vorstel­lung der NORAH-Ge­sundheits­studie.)

Die Entwick­lungs­geschwindig­keit der Maßnahme­planung war zeitweise enorm. Während die Experten noch 7 Maßnahmen in ihr Paket packten, listet die Allianz stolze 19 auf (die Numme­rierung geht zwar nur bis 16, aber bei gutem Willen kann man einige Punkte als mehrere Teil-Maßnahmen sehen). Die haben aber sehr verschie­denen Charakter: 3 dienen nur dazu, Fehl­planungen bei der Umstellung auf das 4-Bahn-System zu korri­gieren (Anhebung der Flug­höhen bei Gegen- und Zwischen-An­flügen), eine möchte über­wiegend aus anderen Gründen durch­geführte Flotten­moderni­sierungs­maßnahmen als Schall­schutz verkaufen, und eine ist durch "unvorher­gesehene" Ein­schränkungen (Nachtflug­verbot) zur Lach­nummer verkommen, die so wirkungs­los ist, dass nicht einmal die Schäden, die sie theo­retisch anrichtet, spürbar werden. Wieder andere beziehen sich auf Forschungs­vorhaben mit sehr begrenzter Wirkung (Redu­zierung Boden­lärm), ökono­mische Instrumente mit unklarer Reich­weite (Spreizung Lärment­gelte) oder sind ohnehin nur "zur Prüfung" aufge­listet (neue An- und Abflug-Routen).

Am 18.07.14 hat die "Kommission zur Abwehr des Fluglärms, Flughafen Frankfurt Main" (kurz Flug­lärm­kommission, FLK) mit einer Presse­mitteilung daran erinnert, dass sie seit 10 Jahren aktiv und mit eigenen Vorschlägen für aktiven Schall­schutz eintritt und einen Bericht vorgelegt, der den Stand der Umsetzung der Vorschläge bewertet. Von den 81 vorge­legten Vor­schlägen sind lt. Bericht "je 1/3 ... realisiert bzw. umgesetzt, nicht umgesetzt oder befinden sich noch in der Prüfung". Besonders inte­ressant sind die nicht umge­setzten Vorschläge, weil man daraus viel darüber lernen kann, was einem wirk­samen Schall­schutz im Weg steht.
Da die FLK über­wiegend aus Kommunal-Vertretern zusammen­gesetzt ist und ausser einer kleinen Geschäfts­stelle nicht über eigene Ressourcen verfügt, ist sie für die Ausar­beitung und Beur­teilung von tech­nischen Vor­schlägen zum Schall­schutz auf externe Expertise angewiesen, die über­wiegend vom o.g. Forum Flughafen und Region gestellt wird. Viele dieser Vorschläge wurden daher über das "Experten­gremium Aktiver Schallschutz" einge­bracht und umge­setzt. Eigen­ständige Beiträge der FLK gibt es im Bereich der politi­schen Bewer­tung von Maßnahmen und der Betei­ligung von Betrof­fenen.

Für Raunheim: nichts mehr drin im Paket

Die für Raunheim interes­santen Maßnahmen haben allesamt ein trauriges Schicksal erlitten. Von den Maßnahmen, die im Fluglärm­entlastungs­konzept Raunheim gefordert wurden, hatten es ohnehin nur zwei in das Maß­nahme-Paket geschafft: die Erhöhung der Rücken­wind-Komponente und die Erhöhung des Anflug­gleit­winkels. Letztere sollte zunächst aller­dings nur für die Nordwest­bahn getestet werden und hat diese Tests inzwischen erfolg­reich bestanden; die Über­tragung auf Center- und Südbahn wird aller­dings von der Einfüh­rung eines neuen Navi­gations­systems (GBAS) abhängig gemacht und damit weit in die Zukunft verschoben. Immerhin meint aber auch die Allianz, dass daran zumindest geforscht werden sollte.

Spurlos verschwunden ist dagegen die Erhöhung der Rücken­wind-Kompo­nente. Während in den Empfeh­lungen zum Monito­ring-Bericht zumindest noch erwähnt wird, dass die Umset­zung im Auge behalten werden sollte, taucht sie im Allianz-Ka­talog nicht mehr auf. Dies erklärt sich allerdings auch aus der unter­schied­lichen Funktion beider Papiere: während das Experten­gremium tatsächlich versucht, eine Redu­zierung der Lärmbe­lastung nach seinen Kriterien zu erreichen (d.h. auch eine Lärm­umverteilung in Kauf zu nehmen, wenn dadurch Höchst­belastete entlastet werden und der Lärmindex sinkt), ist die Allianz eine politische Show-­Veran­staltung, die primär dazu dient, den Protest zu befrieden. Und da man einschätzt, dass die Mehr­heit der Protestie­renden diese Maßnahme nicht will oder zumindest nicht fordert, fällt sie eben unter den Tisch.
Schlimmer noch: wie eine Unter­suchung der Betriebs­richtungs­verteilung in Abhäng­igkeit von den Wind­verhält­nissen am Flughafen ergeben hat, war 2013 und 2014 der Anteil der Betriebsrichtung 07 höher als der Anteil der Windsituationen, in denen überhaupt eine Ostwind-Komponente vorlag. Mit anderen Worten: es gibt nicht nur keine Erhöhung, eine Anwen­dung der Rücken­wind-Kompo­nente zugunsten der höher belasteten Kommunen im Westen erfolgt (zumindest zeit­weise) nicht mehr.

DTOP AirportFrankfurt

  Versetzte Landeschwelle beim DTOP-Test.
  Bildquelle: Wikipedia.

Die Versetzung der Lande­schwellen nach Osten bei Betriebs­richtung 07, die niemandem schaden würde, ist von Anfang an daran gescheitert, dass die dafür notwendigen Investi­tionen in die Infra­struktur (die für Kapazitäts­steigerungen durchaus denkbar waren) zur Entlastung der Handvoll Betroffener in Raunheim, Rüssels­heim und weiter westlich natürlich viel zu hoch wären.
Der neue Lärm­aktions­plan für den Flughafen lehnt die Maßnahme auch ab, aber formuliert das (auf S. 144) etwas freund­licher: es "müssten Rollwege und Infra­struktur geändert werden ... . Die Beibe­haltung der 4.000 m Lande­bahnen für schlechte Wetter­bedingungen kombi­niert mit variabel verkürztem Schwellen­ersatz ist nach bisherigem Kenntnis­stand in Frankfurt nicht umsetzbar, da die erforder­liche Kombi­nation und Verlage­rung von Rollwegen flächen­mäßig nicht darstellbar ist." - und diesen Kenntnis­stand irgendwie zu verändern oder zu erweitern, gibt es natürlich keinen Grund.

Interessant ist auch das Schicksal der ursprüng­lichen Maßnahme Nr. 1, die vertikale Opti­mierung der Abflug­verfahren, sprich die Einführung von Steilstarts. Hier erkennt man (zumin­dest im Nach­hinein) die Wirkung geschickter Lobby­arbeit. Während im Experten­gremium anfangs völlig klar war, dass nur steilere Starts zu einer Reduzie­rung des Lärm führen können, taucht in den Empfeh­lungen des Monito­ring-Be­richts plötzlich der Hinweis auf, dass alle Start­verfahren, auch Flach­starts, auf den Prüf­stand sollten, obwohl keinerlei technische Begründung dafür existiert. Sie ist eben ökono­mischer Natur: Lufthansa möchte die Flach­starts, weil sie glaubt, damit Treib­stoff sparen zu können.

Schallschutz a la Lufthansa: lauter und dreckiger fliegen ...

Bereits im Februar 2013 hatte Lufthansa heimlich begonnen, ein neues Start­verfahren zu praktizieren. Der Test dauerte nur eine Woche, dann kam ein Journalist dahinter und damit trat ein Problem auf, das prompt zum Abbruch führte. Aber aufge­schoben ist nicht aufge­hoben - der nächste Versuch startete am 1. Juli. Was Lufthansa genau vorhatte, blieb lange im Dunkeln. Von sich aus zu informieren, was sie den Menschen zuzu­muten gedenken, haben sie nicht nötig, und auf Fragen antwortet der "gute Nachbar" auch nicht. Das Forum Flughafen und Region beantwortete die Detail-Fragen ebenfalls nicht, stellte aber ein paar allge­meine Aus­sagen zu Start­verfahren bereit.

Gemäß einer Präsen­tation der LH in der Sitzung der Fluglärm­kommission im April 2013 sollte das bisherige Standard-Ver­fahren durch ein Verfahren ersetzt werden, das zur ICAO-Klasse NADP2 gehört. Das sagt zunächst einmal nur, dass es sich um ein Verfahren handelt, das ICAO empfiehlt, wenn der Lärm nur in einer weiteren Entfernung vom Start­punkt eine Rolle spielt. Was nah und was weit ist, hängt dabei u.a. vom Flugzeug­typ ab. Da die Flug­manöver an die jeweils erreichte Höhe gebunden sind, endet der Nahbereich für leichte, schnell steigende Maschinen bereits in etwa 5 km Entfer­nung vom Start­punkt, während er bei den schweren Kisten ("Heavies") bis zu 15 km ausge­dehnt sein kann. Da diese auch für Lärm­betrachtungen die relevan­testen sind, ist diese Lufthansa-Entschei­dung also ein Schlag auf die Ohren aller Menschen, die weniger als 15 km vom Flughafen entfernt leben und eine Abflug­linie in der Nähe haben (das Raun­heimer Stadt­zentrum ist ca. 6 km vom Start­punkt der Center­bahn entfernt).

Am 28.05.2013 hat Lufthansa per Presse­mittei­lung verlaut­bart, dass das neue Verfahren ab 01.07.2013 für drei Monate "getestet" werden sollte. Genaueres erfuhr man aber auch hier wieder nicht. In einer Last-Minute-Aktion, wiederum per Presse­information mitge­teilt, wurde der "Test" wieder auf ein Jahr verlängert, aber dafür auf Abflüge von der Start­bahn West beschränkt. Zugleich wird aber auch aus der PM und einem gleich­zeitigen Vortrag des Umwelt­hauses in der Flug­lärm-­Kommis­sion deutlich, dass eine echte Messung der Auswir­kungen des neuen Verfahrens nicht vorge­sehen war - das geplante Monitoring ist keins.
Dies bestätigt der Monito­ring-Bericht, den das FFR/UNH in der Sitzung der Flug­lärm­kommis­sion am 09.07.14 vorge­stellt hat. Wenig Daten, viel Statistik - so versuchen die Autoren, doch noch irgendwie die gewünschte Schluss­folgerung zu begründen. Über­zeugend ist es nicht. Auch die FLK mochte auf dieser dünnen Grundlage keinen Freibrief für das neue Verfahren ausstellen. Aber auch hier gilt wieder: die FLK berät, entscheiden tun andere. In einer Presse­infor­mation vom 10.09.14 teilt Lufthansa mit, dass sie "ab heute" das neue Flach­start­verfahren "deutsch­landweit" eingeführt hat.

Flugspuren Abflüge

Was künftig droht, zeigt ein Blick auf die heutige Belastung beim Start­betrieb. Die Grafik rechts zeigt die Abflug­spuren eines halben Tages (12.05.2013, 12 - 24 Uhr) bei Betriebs­richtung 25. Wie man sieht, kann von einer Abflug­route bei der Süd­umfliegung kaum die Rede sein. Der Bereich, der überflogen wird (und damit der Abstand zur Bebauung), variiert sehr stark. Und auch die Flug­höhen unterscheiden sich stark: während einzelne schon früh Höhen über 2.000 m erreicht haben (gelbe Linien), quälen sich andere unter 1.000 m (rote Linien) durchs ganze Bild. Die hinterlegte grössere Grafik zeigt, was das für Aus­wirkungen hat: die markierte rote Linie ist die Flugspur einer Lufthansa 747-400, die in Höhen zwischen 600 und 800 m an Raunheim vorbeidröhnt und dabei den Süden der Stadt mit 81 dB(A) beschallt. Selbst im Nordwesten werden noch 71 dB(A) erreicht. Das sind Werte, die viele anfliegende Flugzeuge nicht erreichen, die direkt über das Stadtgebiet fliegen.

Zu befürchten ist, dass derartige Belastungen zunehmen. Zum einen hat Lufthansa ja immerhin schon zuge­geben, dass künftig in diesem Bereich niedriger geflogen werden soll. Zum anderen muss man davon ausgehen, dass bei dem neuen Verfahren enge Kurven­radien schwie­riger werden, da der Schub weniger in Höhen­gewinn und mehr in Geschwin­digkeit umgesetzt wird, und daher die Annähe­rungen an Raunheim, wie sie hier noch als Einzel­fall zu sehen ist, häufiger vorkommen werden. Wenn dann die DFS auch noch Vorgaben macht, die ein zu frühes Abbiegen nach Süden verhindern sollen, um die Südumfliegung von den Starts auf der 18 West unab­hängig zu machen, kann man fast sicher sein, dass sich die Abwei­chungen Richtung Raunheim verlagern werden.

Dazu kommt, dass mit ziemlicher Sicherheit auch die Schad­stoff-Immis­sionen zunehmen werden. Das ICAO-Umwelt­komitee hat in einem Arbeits­papier festgestellt, dass NADP2-Verfahren im Vergleich zu NADP1-Verfahren (zu denen man das bisher in Frankfurt geflogene Verfahren rechnen kann) zwar 0,6 bis 2,7 % weniger Kohlen­dioxid produzieren (und entsprechend viel Treibstoff einsparen), dafür aber zwischen 5 und 20 % mehr Stickoxide im Nahbereich emittieren. Auch wenn noch umstritten ist, wie hoch der Beitrag des Luft­verkehrs zur Stick­oxid-Be­lastung insgesamt ist: klar ist, dass diese Belastung schon jetzt im Rhein-Main-Gebiet fast ganz­jährig zu hoch und damit jede zusätz­liche Steigerung unverant­wortlich ist.

Flugspuren Swing-over

Eine andere Art des "lauter fliegen", die besonders Raunheim betrifft, ist die Praxis des sog. "Swing-over", d.h. des Bahnwechsels vor der Landung. In der Regel passiert das, um vom Anflug auf die Südbahn noch schnell auf die (ev. gerade erst frei gegebene) Centerbahn zu wechseln, um nach der Landung schneller am Terminal zu sein. Wie die Flugspuren zeigen, ist das auch kurz vor dem Aufsetzen noch möglich (s. Grafik links, zum Vergrössern anklicken) und, da es in niedriger Höhe über dem Stadtgebiet erfolgt, mit zusätzlichem Lärm verbunden.
Ab 50 km Entfernung im kontinuierlichen Sinkflug anfliegen, um Lärm zu vermeiden, aber auf den letzten Metern einen Zauber wie bei einer Flugshow zu veranstalten - wie passt das zusammen? Verant­wortlich für das Verfahren ist die DFS, die jeden Swing (auf Antrag des Piloten) geneh­migen muss - aber es ist wohl kein Zufall, dass man bei Prüfung des Einzelfalls (fast) immer LH-Piloten als Mitglieder dieses Swinger-Clubs findet.
Zu dem unnötigen Krach, den das Swing-Manöver erzeugt, kommt natürlich noch die Tatsache, dass entgegen früherer Versprech­ungen der Raunheimer Norden durch die dauernde Nutzung der Centerbahn eben doch ständig mit extremem Fluglärm belastet wird - weitaus weniger als früher, aber trotzdem störend, besonders wenn es früh morgens oder spät abends passiert. Da reicht eben schon ein besonders lauter Flieger, um den Schlaf zu beenden oder zu verhindern.

In der Sitzung der Fluglärm-Kommission im November 2013 hat die DFS beantragt, das bis dahin anscheinend nur "informell" geflogene Manöver nun auch offiziell einzu­führen, aller­dings nur für die Betriebs­richtung 25, also bei Anflug aus Osten. Eine dazu vorgelegte Betrach­tung der Lärm­wirkungen durch das Umwelthaus zeigt, dass dadurch Neu-Isenburg und Zeppelin­heim rechnerisch entlastet werden, während der Lärm in Sachsen­hausen und Nieder­rad nur unwesentlich zunehmen soll. Für die Betriebs­richtung 07 kommt die Betrachtung zu dem Ergebnis, dass Raunheim dadurch unakzep­tabel belastet wird, ohne dass irgendwo Entlas­tungen auftreten. Die BI hatte deshalb die DFS in einer Presseerklärung aufge­fordert, dieses Ver­fahren sofort einzu­stellen. Aktuell scheint es über Raunheim auch nur noch selten ange­wendet zu werden.

... und noch lauter heucheln ...

So verschlossen sich Lufthansa bei der Umsetzung profit­trächtiger, aber poten­tiell belas­tender Maß­nahmen gibt, so laut schreien sie und ihre Allianz-Partner bei anderen Maß­nahmen, bei denen keine negativen Auswir­kungen zu befürchten sind, auch wenn dabei die Grenze zur Peinlich­keit mehrfach über­schritten wird. Hauptsache, das Thema bleibt in den Medien und ausserhalb der betroffenen Region wird der Eindruck erweckt: "Die tun was".
Allein im Septem­ber/Okto­ber 2013 wurden drei "Maß­nahmen des aktiven Schall­schutzes" in den Medien bejubelt, die sich bei genauerem Hin­sehen eher als peinlicher Beleg dafür entpuppen, wie wenig Schall­schutz in der Vergangen­heit eine Rolle spielte und wie unzu­reichend seine Förderung auch heute noch ist. Zweimal war daran die Lufthansa beteiligt.

DLH Beschaffung

Fast zeitgleich wurden auch andere Zahlen präsentiert, aber das schadet der Glaubwürdigkeit auch nicht mehr ...
Quelle: Dokumentation ICANA 2013, Teil 2, S. 39

Am 19.9.13 verkündete LH "die größte, private Einzel-Investi­tionen in der deutschen Industrie­geschichte", die Bestellung von "34 Boeing 777-9X und 25 Airbus A350-900" für "die Lang­strecken­flotten der Lufthansa Group". "Der Lärm­teppich der neuen Modelle wird mindestens 30 Prozent kleiner sein, als bei heutigen Flugzeugen", heißt es voll­mundig, und der Noch-Vorstands­vorsitzende Franz setzt noch einen drauf: „Jeder einzelne A350 und jede einzelne Boeing 777 entfaltet in Deutschland die Beschäftigungs­wirkung eines mittel­ständischen Unter­nehmens“.
Klingt phantastisch, solange man nicht bedenkt, dass es sich hier um längst über­fällige Ersatz­beschaf­fungen handelt, die, beginnend 2016, über zehn Jahre verteilt werden. Lufthansa rangiert im aktuellen Effizienz­rating von Atmosfair auf Platz 72 von 125 getesteten Airlines, eine Moderni­sierung der Flotte ist schon aus ökono­mischen Gründen dringend nötig. Dass neuere Flugzeuge leiser sind, ergibt sich zwangs­läufig aus der Tatsache, dass vor 40 Jahren (damals wurden die jetzt zu ersetzenden Typen entworfen) der Schall­schutz überhaupt keine Rolle gespielt hat. Der beliebte 30%-Vergleich ist eine weitere Irre­führung, denn er bezieht sich nur auf die Größe der Fläche, innerhalb derer extrem lauter Start­lärm auftritt, und besagt keines­falls, dass es an irgend­einem gegebenen Ort "30% leiser" würde.

Flottenausbau

... denn je nach gewünschter Wirkung kann man die Sachverhalte auch anders darstellen.
Quelle: LH Politikbrief 04/2014, S. 3

Und die Beschäf­tigungs­wirkungen? "Die neuen Flug­zeuge dienen primär dem Ersatz bestehen­der Flug­zeuge bei Lufthansa" heißt es lapidar an anderer Stelle, mit anderen Worten: Aufrecht­erhaltung des laufenden Betriebs bei (besten­falls!) gleich­bleibender Zahl der Arbeits­plätze. Bei soviel Über­treibung fällt es dann auch kaum noch ins Gewicht, dass Bestel­lungen noch lange kein Kauf sind (Stornie­rungen sind in diesem Geschäft häufig) und die ange­gebenen "Listen­preise" von nieman­dem, der sich ein solches Flug­zeug leisten kann, bezahlt werden.
Und tatsächlich: Groß­sprecher Franz war kaum sechs Wochen von Bord, da mussten seine Nachfolger im Juni 2014 eine Gewinn­warnung veröffent­lichen und u.a. ankündigen, es würden "sämt­liche Flugzeug­bestel­lungen unter die Lupe genommen, ob sie verschoben oder gar abgesagt werden müssten".

Zur richtigen Einordnung dieses Beschaffungs­programms ist es auch hilfreich zu wissen, dass die in Dubai ansässige Emirates allein auf der dies­jährigen dortigen Airshow neue Flugzeuge in einem Wert geordert hat, der etwa dem Drei­fachen des Gesamt-Investitions­programms der Lufthansa entspricht - und dabei auch schon die ersten A380 wieder austauscht, weil sie nicht effizient genug sind.
Das ist aber natür­lich keine begrüssens­werte umwelt­politische Gross­tat, sondern ein verdammungs­würdiger Ver­drängungs­wett­bewerb eines staat­lich subven­tionier­ten Prestige­projekts zulasten der bedauerns­werten privat­wirtschaft­lichen Kon­kurrenz (s. Grafik links).

DLR-Bericht

... aber mit Ausdauer.

Den nächsten Knüller lieferte LH mit einer Presse­mitteilung am 29.10.13: Die A320-Flotte erhält "soge­nannte Wirbel­genera­toren", die "den Gesamt­schallpegel des Flugzeugs im Anflug um bis zu zwei Dezibel reduzieren" sollen. 157 Flugzeuge werden "ab Januar 2014" damit ausge­stattet.

Foto Wirbelgenerator

Auch hier hat die hoch­trabende Ankündi­gung einen pein­lichen Hinter­grund: es handelt sich um die Beseiti­gung eines simplen Kon­struk­tions­fehlers, der seit mehr als zehn Jahren bekannt ist (DLR-Jahres­bericht 2001/02, S. 44, s. Grafik rechts).
Lufthansa selbst hatte diese Maßnahme schon in der Gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 2007 angedeutet und im Februar 2012 in der Maß­nahme­liste der Allianz für Lärm­schutz konkret benannt.

Statt sich nun aber für die jahrelange unnötige Lärm­belastung zu entschul­digen, feiert sich Lufthansa für eine Selbst­verständ­lich­keit, die zudem noch teil­weise von Anderen bezahlt wird. Durch die Umrüs­tung fallen die Flug­zeuge nämlich ab 2015 in eine günsti­gere Kate­gorie der Lärm­entgelte auf FRA, so dass LH einen grossen Teil der Kosten gleich wieder einspart.

Die Peinlich­keiten waren damit aber nicht zu Ende. Im Juni 2014 antwortet Luft­hansa auf eine entspre­chende Anfrage, dass schon vier(!) neue A320 mit den Genera­toren ausgerüstet sind und weitere sechs noch im selben Jahr dazu­kommen sollen. Die Umrüs­tung der Bestands­flotte sollte nun "voraus­sichtlich" im 3. Quartal 2014 beginnen. Am 3. November 2014 teilte Luft­hansa mit, dass nun schon zehn Flug­zeuge (neun neue und ein umgerüs­tetes) mit den "Genera­toren" ausge­rüstet sind, 257 weitere (100 neue und 157 umzurüs­tende) sollten folgen. "Nach derzei­tigen Planungen wird die gesamte Maßnahme in etwa einem Jahr abge­schlossen sein." Ange­sichts des tatsäch­lichen tech­nischen Aufwands, der dahinter­steckt (s. Grafik links), kann man wirklich nur staunen über soviel Dreistig­keit.
Am 25.06.2015 konnte Lufthansa immerhin melden, dass die Umrüstung der ersten hundert Maschinen geschafft war. Zwei Drittel des Projekts in acht Monaten geschafft - also voll im Plan.
In der Fragerunde nach seinem Vortrag bei der ICANA 2016 kommentierte Herr Isermann vom DLR die Lob­hudelei und den angeb­lichen Aufwand der Lufthansa für die Maßnahme mit dem Satz: "Das haben wir damals mit dem Schrauben­zieher gemacht".

(Nach Angaben von Minister Al-Wazir in einer Landtags­debatte wird das Teil im hessischen Polit-Jargon übrigens "Bodden­berg-Gene­rator" genannt - wahr­schein­lich deshalb, weil dieser CDU-Abgeordnete im Landtag üblicher­weise genau das produ­ziert: wohl­geformtes Blech.)

Auch über die Wirkung gibt es neue Aussagen: "bis zu 4 Dezibel" soll es nach den beiden grade zitierten Quellen in 15-20 bzw. 10-17 km Entfer­nung vom Flughafen leiser werden. Uns nützt das leider nicht, denn "für Raunheim ergibt sich keine Verän­derung des Lärmpegels da die Flugzeuge sich hier unmittel­bar vor der Landung in einer anderen Konfigu­ration befinden". Das heißt: der Anflug wird leiser, nicht aber die Landung. Also auch hier wieder: nichts drin für Raunheim.


Auch anderswo nur heisse Luft

An der dritten Posse dieser Art war Lufthansa nicht direkt beteiligt. Rund um den 4.10.13 rauschten Meldungen von einem revolutio­nären Test durch den lokalen Blätterwald: eine Maschine der Condor flog achtmal hinter­einander aus Westen kommend die Nordwest­bahn an, davon sechsmal in einem Winkel von 4,5°, also deutlich steiler als üblich. Die zahlreich an Bord vorhan­denen Reporter konnten aus erster Hand bestätigen, dass die Anflüge problemlos verliefen, und die frohe Botschaft verkünden, dass es, wenn das Verfahren "serienreif" sei, (schon wieder) deutlich leiser werden könne, zumindest in Mainz und Wiesbaden.

DLR-Folie Höhendifferenzen in Abhängigkeit von der Entfernung vom Aufsetzpunkt
für den "steilen Anflug".

Grundsätz­lich können steilere Anflüge natürlich zur Lärm­minderung beitragen, zumindest in größerem Abstand vom Aufsetz­punkt, da dann länger in größeren Höhen geflogen wird und weniger Lärm unten ankommt. Der Teufel steckt aber im Detail: bei größeren Flug­höhen verteilt sich der Lärm auch über eine größere Fläche, und durch die notwen­digen Manöver kann es an einigen Stellen sogar lauter werden. Um also heraus­zufinden, was tatsächlich passiert, muss man die Lärmver­teilung messen - und das ist der traurige Hinter­grund der Frankfurter Show.

Denn eigentlich soll das Verfahren in einem länger­fristigen Forschungs­projekt der DLR erforscht werden. Die Aktivi­täten dazu sind aber seltsam bruch­stück­haft, und Zusammen­hänge er­schlies­sen sich nur mühsam. So kann man bei gründ­lichem Lesen heraus­finden, dass die DLR zusammen mit Air Berlin 2011 erste Tests in Braun­schweig durch­geführt hat und mit TUIfly am Flughafen Hannover einen längeren Test­betrieb plant, aber dort gibt es bisher offenbar keine geeigneten Mess­stellen. Statt nun dort ein geeignetes Messfeld zu instal­lieren, wie es in der Vergangen­heit für solche Unter­suchungen genutzt wurde, und damit im Dauer­betrieb realis­tische Mess­werte zu sammeln, verfiel man auf die Idee, doch lieber ein paar wenige Flüge in Frankfurt zu veran­stalten, wo ja ohnehin wenigstens ein paar Mess­stellen in der Nähe herum­stehen - ist ja deutlich billiger, und das Forum Flughafen und Region, das diese Testflüge beauftragt (s. News vom 4.10.) und wahrschein­lich aus Steuer­geldern bezahlt hat, brauchte noch ein Highlight für seine Konferenz ICANA. Die DLR hat dort Ergeb­nisse vorge­stellt, aller­dings in so allge­meiner Form, dass deren Wert kaum zu beur­teilen ist. Eine erste Auswer­tung auf der Basis von DFLD-Daten zeigt, dass wohl auch keine schlüssigen Resultate zu erwarten sind.

Man darf gespannt sein, ob jemand Geld in die Hand nimmt, um die Lärm­wirkungen dieses Verfahrens wirklich zu messen - oder ob auch hier, wie beim Start­verfahren der Lufthansa, aus untaug­lichen Mess­ergebnissen die gewünschten Schluss­folgerungen gezogen werden. Es gibt allerdings zwei wesent­liche Unter­schiede: erstens läßt sich mit dem steileren Anflug kein Geld sparen, und zweitens wird er so bald auch nicht kommen. Wie der DLR-Projekt­leiter lapidar bemerkt, wider­spricht das Verfahren geltenden ICAO-Regeln, und "(e)ine Änderung dieser inter­nationalen Vor­gaben ist aufwendig und sehr zeit­intensiv. Daher kann der 'Steeper Segmented Approach' auch bei erfolg­reichem Testverlauf auf absehbare Zeit nicht im Regel­betrieb angewendet werden."
Deswegen, und wegen der seltsam segmen­tierten öffent­lichen Darstellung, in der die jeweiligen "Partner" immer nur ihren eigenen Beitrag ("weltweit einmalig" etc.) in den Vorder­grund rücken, darf man vermuten, dass auch hier die positive Botschaft ("es wird leiser !!") schon das Ziel der Übung ist. Für Raunheim ist aber auch das egal: wie man aus der Grafik ablesen kann, gibt es in dieser Entfer­nung keinen Höhen­unter­schied zwischen beiden Verfahren.


Geforscht wird weiter

Im Herbst 2015 wurde die DLR vom Umwelthaus beauftragt, zwei von ihr entwickelte Systeme, die bei Anflügen u.a. auch zur Lärm­reduzie­rungen führen können, am Frank­furter Flughafen zu testen. Dabei ging es einmal darum, ein Pilo­ten-Assis­tenz­system, das Hinweise zum optimalen Einsatz von Klappen und Schub beim Anflug gibt, unter Real­beding­ungen zu testen, zum anderen sollte geprüft werden, unter welchen Beding­ungen ein gekrümmter Anflug, bei dem dicht besiedelte Gebiete umflogen werden, auch im sog. 'abhäng­igen Betrieb' möglich ist.

Für das erste Projekt konnte die DLR im November 2016 einen Erfolg melden. Testflüge hatten ergeben, dass Piloten mit dem System zurecht kommen und bis zu 10% Sprit einsparen. Wo genau es leiser, und ob es irgendwo ggf. auch lauter wird, war nicht so einfach heraus­zufinden. Aus einer Folie der Ergeb­nis-Präsen­tation läßt sich ablesen, dass die Verän­derungen unter­schied­lich sind - deutliche Reduk­tionen an Anfang und Ende des Lande­anflugs, dazwischen eine Phase mit minimalen Erhöh­ungen. Wie immer sind aber die Meß­stationen wieder mal nicht da, wo sie sein müßten, um die Unter­schiede wirklich zu erfassen.
Das Ministerium kümmert sich um solche Feinheiten natürlich nicht und vermeldet: "Der Lärm der Flugzeuge unterhalb der Anflugroute konnte um bis zu 1,5 Dezibel verringert werden. „Das ist nicht nur eine messbare, sondern auch eine hörbare Verbesserung für die Menschen, die entlang der Anflugrouten leben“, sagte Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir ...".

Das zweite Projekt ist über Simulationen noch nicht hinaus gekommen und steht vor dem Problem, dass das Verfahren nicht mit den ICAO-Standardvorgaben zur Sicherheit vereinbar ist - so daß es vermutlich auch nicht so bald einsetzbar sein wird.


Der Beitrag der Landesregierung - die "Lärmpausen"

Um den Grünen beim Einstieg in die schwarz-grüne Koalition wenigstens ein bißchen Gesichts­wahrung zu ermög­lichen, mußten in den Koalitions­vertrag ein paar Aussagen zum Schall­schutz aufge­nommen werden. Daher wurden aus dem Allianz-Katalog einige Maßnahmen, die weitest­gehend konsens­fähig waren, heraus­gegriffen und zu Regierungs­projekten erklärt. Eines dieser Projekte waren die 'Lärmpausen'. Im Koalitions­vertrag ist dazu energisch formuliert:

"Ziel ist es, regelmäßig zu Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht zu kommen. Die Koalitions­partner halten dies durch den abwechseln­den Verzicht auf die Nutzung einzelner Bahnen in den genannten Zeiten für möglich und wollen dies gemeinsam mit der Fraport und der DFS so schnell wie möglich realisieren."
"Für den Fall, dass dieses Ziel (sieben­stündige Nutzungs­pausen) nicht in ange­messener Zeit erreicht wird, behalten sich die Partner Initiativen für eine entsprechende Plan­änderung bzw. modifi­zierte Betriebs­genehmigung vor."
Lärmpausen-Clowns
Mit diesen Clowns kommen einem wirklich die Tränen ...
Der Hinweis auf mögliche Änderungen von Plan­feststellungs­beschluss und Betriebs­genehmi­gung wurde ganz schnell wieder beerdigt, und "so schnell wie möglich" wurde konkre­tisiert als "ein gutes Jahr" bzw. "15 Monate". Ziel ist derzeit die Ein­führung zum Sommer­flug­plan 2015. Inzwischen wurde immer mal wieder gewarnt, die Pausen würden "nicht immer und überall" (Minister­präsident Bouffier) und "nicht dauerhaft und planbar" (Fraport-Chef Schulte) sein, aber kommen sollten sie trotzdem irgendwie.

Am 12.09.14 hat Minister Al-Wazir der Öffent­lich­keit fünf Modelle vorge­stellt, aus denen Flug­lärm­kommission und Forum Flug­hafen und Region eines für einen einjäh­rigen Test­betrieb aussuchen sollten. In einer Sonder­sitzung haben beide Gremien die Vorschläge zur Kenntnis genommen und eine sorg­fältige Prüfung zugesagt, aber auch Skepsis gezeigt, denn schon die erste grobe Berech­nung der Verände­rung der Lärmbe­lastung durch das Umwelt- und Nachbar­schafts­haus, die ebenfalls in der Sitzung vorge­stellt wurde, zeigte, dass drei der fünf Modelle zu einer, zum Teil sehr deut­lichen, Mehrbe­lastung der Region führen, und auch die beiden insgesamt positiven Modelle an einzelnen Orten den Lärm unzu­mutbar verstärken.

Das einzige "Lärmpausen-Modell", das Sinn macht ...

Ausführ­liche Berech­nungen des Forums Flughafen und Region, die der Flug­lärm­kommis­sion zur Ent­schei­dungs­findung im Januar 2015 vorgelegt wurden, bestä­tigten das. Obwohl dort als Defini­tion "rechne­rischer Lärm­pausen" keines­wegs Ruhe vor Fluglärm, sondern nur (relativ) wenige (relativ) leise Über­flüge benutzt wurden (genauer: "Wenn 6 x 58 dB (A) Maximal­pegel außen in den Zeit­räumen 22-5 Uhr oder 23-6 Uhr nicht erreicht werden, wird rechne­risch eine Lärm­pause unter­stellt."), kann keins der Modelle eine insgesamt positive Bilanz aufweisen, ohne punktuell zu erheb­lichen Zusatz­belastungen, insbe­sondere für ohne­hin schon Hoch­betrof­fene, zu führen. Nach den Krite­rien der Flug­lärm­kommis­sion für die Prüfung von Lärm­pausen, die die allge­meinen Krite­rien für Schall­schutz­maß­nahmen für diesen Fall konkre­tisieren, war das Regie­rungs-Konzept der "sieben­stün­digen Lärm­pausen" damit gestorben.
Das Bündnis der Bürger­initia­tiven hatte daher die Flug­lärm­kommission per Flug­blatt aufge­fordert, "Modell 7" (die sieben­stündigen "Lärm­pausen") konse­quent abzu­lehnen und sich für "Modell 8" (acht­stündiges Nacht­flug­verbot) auszu­sprechen.

Die FLK ist dieser Empfehlung leider nicht gefolgt, sondern hat in einer Stellung­nahme einen Probe­betrieb von Modell 4, beschränkt auf Betriebs­richtung 25 (West­betrieb) für vertret­bar erklärt. Die Landes­regierung hat also diese Variante ein Jahr testen lassen.

FLK-Modell Lärmpause       ... was die FLK für möglich hielt ...

In der Abend­stunde ändert sich im Westen zwar nichts, da werden ledig­lich alle Anflüge aus Osten auf die Südbahn gepackt, worunter Neu-Isen­burg und Teile Offen­bachs zu leiden haben. Morgens sieht Modell 4 aller­dings vor, alle Abflüge von der Südbahn zu starten, so dass es im Raun­heimer Süden (und ggf. unter der Nord­abflug­route) lauter wird. Würde das im Wechsel mit Modell 5 gesche­hen, wäre da wenig­stens auch jeden zweiten Tag Ruhe, da dann alle Abflüge über die Start­bahn West raus­gehen würden, aber dieser Vorschlag ist leider unter den Tisch gefal­len.
Da aber weder Fraport noch Umwelthaus die Meßwerte der Station Raunheim Süd für die Bewertung der Lärmpausen heranziehen, bleibt dieser Effekt ohnehin offiziell unbemerkt.

Test-Modell Lärmpause       ... und was getestet und genehmigt wurde.

Es gibt aber auch noch eine Gefahr, die aus dem Modell nicht deutlich wird. Sollte wegen der Lärm­pausen-Rege­lung der West­betrieb morgens und/oder abends zu instabil oder aufwändig werden, wenn die Zahl der Flugbewegungen vielleicht doch mal wieder steigt, könnte die DFS auf die Idee kommen, die Willkür, die in der Betriebs­richtungs­wahl steckt, öfter mal zu nutzen, dem Chaos zu entkommen und ganz ohne Lärm­pause Betriebs­richtung 07 zu fliegen - worst case für Raunheim.

Lärmpausen-Clowns

... aber die Sechser-Truppe ist auch nicht besser.

Am 04.02.15 wurde im Wirtschafts­ministerium das Bündnis für Lärm­pausen aus der Taufe gehoben. Fest­gelegt wurde der geringst-mög­liche Anspruch: Lärm­pausen sind unverbind­lich und frei­willig, sie schaffen keiner­lei recht­liche Ansprüche über den Plan­feststellungs­beschluss hinaus und werden nur angewendet, wenn Aspekte der Sicher­heit, der "Infra­struktur" (sprich: Kapa­zität) und des Wetters dem "nicht im Weg stehen". Entspre­chend hoch waren die Anfor­derungen: der Test sollte nur dann als nicht bestanden gelten, wenn das Modell "an weniger als 50% der Tage zur Anwendung gekommen" wäre. Am 23. April hat der Test begonnen und ein Jahr gedauert.

Am 11.02.16 durfte Herr Lanz vom "Umwelt- und Nachbar­schaftshaus" in Wies­baden die Ergeb­nisse seines "Lärm­pausen-Moni­torings" präsen­tieren. Minister Al-Wazir feierte sie (und sich) in einer Presse­mittei­lung so:

"Die Lärmpausen funktio­nieren reibungslos, die Lärmbe­lastung konnte messbar gesenkt werden, und die Menschen wollen, dass wir die Lärm­pausen beibe­halten."
Ergebnis-Karte Lärmpausen-Monitoring

Das grüne Wunder: durch Lärm-Verschiebung wird es leiser
( zum Vergrößern anklicken )

Hinter den letzten beiden Aussagen steht allerdings ein dickes Fragezeichen. In einer Umfrage im Auftrag des Umwelt­hauses haben ca. 90% der Befragten "keine Verän­derung des Alltags­lebens" durch die "Lärm­pausen" festge­stellt, und nur 0,8% haben dadurch "Hoffnung auf Besse­rung". Dass trotzdem 71% die Frage bejaht haben, ob die "Lärm­pausen-Maß­nahme weiter­geführt werden" soll, liegt wohl eher an der Höflich­keit der Antwor­tenden und der Meinung, es "schadet ja nichts".
Wesent­lich dubioser ist die angeb­liche 'messbare Senkung' der Lärmbe­lastung, denn da tun sich große Wider­sprüche auf. Auch wenn man berück­sichtigt, dass die Auswer­tung, die Herr Lanz vorstellte, nur die Morgen- und Abend-Stunde von 5-6 und von 22-23 Uhr enthält, und wahr­schein­lich auch nur die Zeiten, in denen Betriebs­richtung 25 geflogen wird (obwohl das nirgendwo gesagt wird), verwundert es z.B. doch sehr, dass er für die Station Frank­furt-Ober­rad eine Lärmre­duktion von 10 dB(A) abends und 2 dB(A) morgens angeben kann, während die Fraport-Schall­schutz­berichte für den gleichen Zeitraum und die gleiche Station für die Nacht (von 22 - 6 Uhr) eine Verände­rung von 1 bzw. 0 dB(A) angeben. Auch für etliche andere Meß­stationen liefert der Vergleich der unter­schied­lichen Auswer­tungen erklärungs­bedürftige Unter­schiede.

Obwohl auch eine erwei­terte Präsen­tation des Umwelt­hauses nicht zur Klärung dieser Wider­sprüche beige­tragen hat, konnte Al-Wazir den ersehnten Erfolg feiern: die Flug­lärm­kommis­sion hat am 09.03.16 beschlossen, die Lärm­pausen aus dem (einjäh­rigen) Probe­betrieb in den Regel­betrieb zu über­führen, möchte aber jedes Jahr einen Bericht über ihre Wirkungen haben. Solange solche Berichte aber nicht kritischer hinter­fragt werden, wird es auch keine Konse­quenzen geben.

Raunheimer Banner

Frühere Erfah­rungen mit dem Konzept der "vari­ierenden Bahn­nutzungen" ("dedicated runway operations" oder kurz "DROps") lassen befürch­ten, dass die "Lärm­pausen" nicht nur keinen Nutzen bringen, sondern sogar Schaden anrichten - besonders für die, die nahe am Flug­hafen dran sind.
Raunheim hat also allen Grund, diese "Lärmpausen" abzulehnen und bei der Forderung zu bleiben: Nachtflug­verbot von 22 bis 6 Uhr - vollständig und für alle.


Lärmgrenze

      Wie begrenzt man Lärm ?

Eine schwarz-grüne Schall-Mauer ?

Im Koalitions­vertrag der schwarz-grünen Landes­regierung, die Anfang 2014 ihr Amt antrat, ist ein weiteres Instrument des aktiven Schall­schutz hervor­gehoben: die Lärm­ober­grenze. Vollmundig heißt es dazu:

"Entsprechend der Empfeh­lungen der Mediation wird vereinbart, eine Lärm­ober­grenze für den Flughafen Frankfurt einzu­führen. Ziel ist es, eine deutliche Lärm­reduzierung gegenüber den im Plan­fest­stellung­beschluss prog­nosti­zierten Werten zu erreichen."
Wie diese Grenze aussehen soll, wird nicht erläutert, als Instrumente werden wieder einmal die 19 Maßnahmen der "Allianz für Lärmschutz" herunter gebetet. Immerhin ist das Ziel ein bißchen ehrlicher: nicht mehr "Es wird leiser", sondern "Es wird nicht ganz so laut wie geplant".
Andere haben bei dem Thema schon vorge­arbeitet. So schrieb die Flug­lärm­kommission in ihren Forderungs­katalog zu den Wahlen 2013:

"Das Modell der Lärmober­grenze mit dynami­siertem Faktor sieht vor, dass für die relevant mit Fluglärm belasteten Wohn­gebiete Immissions-Grenz­werte fest­gelegt werden." Dazu ist "ein hin­reichend bemes­sener dynamischer Faktor zu ermitteln und durch die Genehmigungs­behörde festzu­setzen, der ein kontinuier­liches Absenken der Grenzwerte ermöglicht."
Das klingt zunächst recht positiv, wirft aber einige grund­sätzliche Fragen auf, wie wir bereits vor einiger Zeit in einem Kommentar erläutert haben. Die Zeiten, in denen wünschen geholfen hat, sind aber ohnehin schon länger vorbei. Was wirklich passieren soll, legen andere fest. So teilte der "Koordi­nierungs­rat des Forum Flughafen und Region" im November 2013 mit, dass er die Entwicklung eines Konzepts einer Lärm­obergrenze beschlossen hat, das auf den Vorschlägen von DLR-Chef Wörner beruhen soll. In der Presse­mitteilung dazu heißt es:
"Eine zentrale Überlegung hierbei ist, die Entwicklung des Fluglärms von der Anzahl der Flug­bewegungen zu entkoppeln".
Schon die Sprache ist hier verräterisch. Die simple physika­lische Tatsache, dass jede Flug­bewegung Lärm erzeugt, soll irgendwie wegge­rechnet werden, damit diese "Wörner-Grenze" nur ja kein Hindernis für das weitere Wachstum des Flughafens werden kann. Näheres dazu findet man in der Dokumen­tation der Vorträge und Links zu Video-Mitschnitten der FFR-Konferenz ICANA (die Folien von Herrn Wörner alleine sind schwer verständ­lich, man sollte zusätz­lich den Video-Mitschnitt des Vortrags von Minute 6 bis 12 anhören). Über das oben Zitierte hinaus enthalten sie noch interes­sante Details. So ist nach Herrn Wörner der "einzig logische" Wert für die Obergrenze des Fluglärm­index der, der laut Plan­feststellungs­beschluss 2020 zu erwarten wäre. (Der gleiche Herr Wörner hat im "Anti-Lärm-Pakt" des "Regionalen Dialog­forums" noch lauthals eine 10%ige Absenkung dieses Wertes versprochen, aber wen kümmert das dumme Geschwätz von gestern?) Auch geht er ganz selbstver­ständlich davon aus, dass die Zahl der Flug­bewegungen (nach 2020) auch noch weit über 700.000 hinaus wachsen kann; eine Tatsache, die die Ausbau-Lobby sonst gerne herunter spielt. Warum der Index dann trotzdem weiter sinkt, wird nicht wirklich klar, weil er keiner­lei realis­tische Ansätze für schnelle und durch­schlagende Erfolge bei der Lärm­minderung "an der Quelle" benennen kann - aber das soll vermutlich auch niemand so genau wissen.

In einer Sonder­sitzung am 03.09.2014 musste die Flug­lärm­kommission ein Gutachten zur Kenntnis nehmen, das Aussagen darüber macht, ob und ggf. wie eine Lärm­ober­grenze am Flughafen Frankfurt rechts­sicher einge­führt werden kann. Zwar hebt die FLK in ihrer Presse­mittei­lung positiv hervor, dass die Einführung einer solchen Grenze rechtlich möglich ist, aber die eigentliche Absicht, den Fluglärm damit deutlich zu limitieren, kann kaum erreicht werden. Herr Wörner hat dort auch nochmal einen leicht veränderten Vortrag gehalten und im Nachgang noch ein Papier geliefert, das als Konzept dienen soll für eine "realis­tische" Lärm­ober­grenze, wie oben beschrieben.
Am 15.04.2015 hat der Wirt­schafts- und Verkehrs-Ausschuss des Hessi­schen Land­tags mit schwarz-grüner Mehrheit einen Antrag beschlossen, der die Landes­regierung auffor­dert, "bis spätestens Sommer 2016 einen Vorschlag zur Umsetzung vorzulegen". Da am 13. Juni 2016 die neue EU-Verord­nung über Betriebs­beschrän­kungen an Flug­häfen in Kraft tritt, die es deutlich schwerer macht, aus Lärm­schutz­gründen echte Beschrän­kungen einzu­führen, wird schon aus dem Timing klar, dass keines­falls geplant ist, mit der Lärmober­grenze die Zahl der Flugbewe­gungen zu begrenzen. Aktuell ist die offizielle Vorstel­lung eines Modells für eine solche Obergrenze für den 27.09.2016 geplant.

Um dieser Diskus­sion eine andere Richtung zu geben, hat der Sprecher­kreis des BBI nach ausführ­licher Diskussion in der Delegierten­versammlung im Juli 2015 ein Positions­papier zur Diskussion gestellt, das Forde­rungen formuliert, die tatsächlich zu einer Verbes­serung der Situation führen könnten. Statt eine "Ober­grenze" einzu­führen, die noch wesent­lich mehr Lärm zuläßt als heute, sollen Lärm­minderungs­ziele formuliert werden, die den heute schon unhaltbaren Zustand Schritt für Schritt, aber verbind­lich für alle, verbessern.

Für den DFLD hat Horst Weise einen sog. Kriti­schen Flug­lärm-Index erarbeitet, der die gröbsten Mängel des 'Frank­furter Flug­lärm-Index' beseitigen soll und eine bessere Grund­lage zur Bestimmung einer Lärm­ober­grenze sein könnte. Die wesent­lichen Krite­rien sind nach seiner Aussage:

Hintergrund des Ganzen ist die Erkenntnis: Selbst eine ambitio­nierte Lärm­ober­grenze wird bei Anwendung des FFI zur Farce.

Die Stabsstelle Fluglärm des Frankfurter Ober­bürger­meisters wollte diesen KFI im September 2016 als Grund­lage für eine Lärmober­grenze am Frank­furter Flughafen einfordern, wurde aber von der Frankfurter Umwelt­dezernentin daran gehindert.

Diese Diskussion hat sich zunächst erübrigt, nachdem Minister Al-Wazir am 27.09.2016 das Modell der Landes­regierung für eine 'Lärmober­grenze' vorgestellt hat. Darin spielen weder der FFI noch der KFI noch irgend ein anderes Maß der Belastung durch Fluglärm eine Rolle. Die vorge­schlagene Grenze begrenzt lediglich die Aus­dehnung der Flächen, die von der 55 bzw. der 60 dB(A)-Iso­phone des Tages-Dauer­schall­pegels rund um den Flughafen einge­schlossen wird. Damit bleibt es sogar noch hinter dem Wörner-Vor­schlag zurück, erst recht natürlich hinter den Forde­rungen der Flug­lärm­kommis­sion oder des Bünd­nisses der Bürger­initia­tiven.


Und wie weiter ?

Im April 2015 hat die Fluglärm­kommission eine Sammlung von Vor­schlägen veröffent­licht, die in ein zweites Maß­nahme-Paket aufge­nommen werden könnten. Einen ähnlichen Versuch hatte sie 2010 schon mal unter­nommen, aber zur Formu­lierung eines Maß­nahme-Pakets ist es auch damals nicht gekommen, auch wenn etliche der vorge­schlagenen Maß­nahmen trotz­dem weiter verfolgt wurden. Das scheint dieses Mal nicht anders zu werden.
Da aber viele der oben beschrie­benen Maß­nahmen noch nicht oder nicht voll­ständig umge­setzt sind und weiter daran gear­beitet wird, kann man hie und da auf kleine Erfolge daraus hoffen. Konse­quente Maß­nahmen für wirk­samen Schall­schutz wären aller­dings nur zu erwarten, wenn sich die politi­schen Rahmen­beding­ungen ändern würden.



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Gequältes Haus

Passiver Schallschutz


Wichtige Links:

Details zur Antragstellung für alle
Fördermaßnahmen gibt es auf der Seite des RP Darmstadt zu
Baulicher Schallschutz - Regionalfonds

Das zuständige Ministerium
(HMWEVL) hat eine Seite zur
Verordnung über den Lärmschutzbereich

Auch Fraport erläutert seine Sicht der Dinge unter
Das passive Schallschutzprogramm.

Kartenausschnitte Raunheim: Tagschutzbereich, Nachtschutzbereich
und Anspruchsbereich nach dem Regionalfondsgesetz


Fristen:

Für alle Ansprüche (von Privat-Personen) gilt:
Ablauf 5 Jahre nach Entstehen des Anspruchs, d.h.

für Ansprüche nach FluLärmG
12. Oktober 2016
für Grundstücke in der "inneren Nachtschutzzone"
12. Oktober 2021
für alle Anderen

für Ansprüche nach RegFondsG
31. Dezember 2017 für Alle

für Ansprüche auf Aussen­wohn­bereichs-Entschädigung
12. Oktober 2021 für Alle


Ansprechpartner:

bei der Stadt Raunheim
Herr Norbert Schütz,
Fachdienst Soziales,
Rathaus, Am Stadtzentrum 1
Zimmer 137, 1. Etage
Tel. 06142 / 402-251,
Mail n.schuetz@raunheim.de

beim RP Darmstadt
Frau Nieratzky (06151/123108)
peggy.nieratzky@rpda.hessen.de
Herr Ullmer (06151/123163)
rene.ullmer@rpda.hessen.de

Schallschutz-Ansprüche nach dem Fluglärmschutzgesetz

Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (FluLärmG) regelt die Ansprüche, die Anwohner von Flughäfen in Deutsch­land an den "Schutz ... vor Gefahren, erheb­lichen Nach­teilen und erheb­lichen Belästi­gungen durch Fluglärm" stellen können. Es schützt damit auch den Fluglärm vor weiter­gehenden Ansprüchen, die sich aus medizi­nischen Not­wendig­keiten o.ä. ergeben könnten.

Es ist ein typisch sozial­demokra­tisches Gesetz, von SPD-Verkehrs­ministern in einer SPD/Grüne-Regierung vorbe­reitet und unter einer CDU/SPD-Regierung verab­schiedet. Gegen­über dem Vorgänger­gesetz wurden die Grenz­werte verschärft, dafür aber die Berech­nungs­verfahren so verändert, dass sich faktisch kaum Verbes­serungen ergaben - es sieht eben nur besser aus.

Primär zielt das Gesetz darauf ab, störende Nutzungen von Flughäfen fern zu halten. Dazu definiert es "Lärmschutz­bereiche", in denen Siedlungs- und Nutzungs­beschränkungen gelten. Die genaue Fest­legung dieser Bereiche wird in der ersten Verord­nung zu diesem Gesetz geregelt, der 1. FlugLSV. Soweit in diesen Zonen noch Bebauung zulässig oder schon vorhanden ist, muss sie bestimmten Schall­schutz-Anforde­rungen genügen. Das wird in der 2. FlugLSV, der sog. Flug­platz-Schall­schutz­maßnahmen­verordnung, festgelegt.

Ventilator

Deren Bestim­mungen führen heute zu dem Ärger vieler Antrag­steller­Innen, denen Maßnahmen verweigert werden. Sie bieten nur ein Minimum an Lärmschutz, und obendrein sind die Maßnahmen, die der Verur­sacher - in unserem Fall also Fraport - zu finan­zieren hat, gedeckelt auf eine Summe von 150 Euro je Quadrat­meter Wohnfläche. Für die meisten Bestands­bauten reicht das natürlich nicht einmal aus, um die in der Verordnung angege­benen, ungenü­genden Schall­dämmwerte zu erreichen, aber das ist für den Gesetz­geber das Pech derje­nigen, die da drin wohnen.
In der Praxis führt das dazu, dass für Altbauten nach diesem Gesetz gerade einmal Schall­schutz­fenster und die berühmt-berüch­tigten Lüfter für die Schlaf­räume gefördert werden. Bewohner neuerer Bauten bekommen in der Regel garnichts, weil die vorge­gebenen Dämmwerte schon beim Bau erreicht werden mussten.

Auch auf die Einhaltung der Fristen ist zu achten. § 9 Fluglärm­gesetz sagt im aller­letzten Satz (§ 9 (7) Satz 2): "Der Anspruch ... kann nur innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden." Bisher hat es praktisch keine Rolle gespielt, aber der Zeitpunkt der Entstehung des genannten Anspruchs ist tatsäch­lich nicht für alle Raun­heimer Haus­besitzer gleich. Denn zwar liegt ganz Raunheim in der sog. "Nacht­schutzzone", aber die ist in sich nochmal in zwei Bereiche geteilt: einen inneren Bereich, in dem der (berech­nete) Lärmwert zwischen 55 und 60 db(A) liegt, und einen äusseren Bereich von 50 bis 55 dB(A) (orange­farbener bzw. brauner Bereich der Karte). (Für die "Tag­schutz­zone" gibt es eben­falls zwei Bereiche, aber da liegt ganz Raunheim im "äusseren Bereich" (!))
Bei Novellie­rung des FluLärmG wurde eine allge­mein als Lex Fraport kriti­sierte Fristen-Regelung einge­führt, die den "weniger belasteten" Anwohnern des äusseren Bereichs erst nach sechs Jahren Schutz­ansprüche einräumen sollte. Das hat sich bei den Erstat­tungen für Schall­schutz­maß­nahmen nicht ausgewirkt, weil Fraport sich nach massiven Protesten nach der Eröf­fnung der Nordwest­bahn mit der Einführung des Regional­fonds 2012 "freiwillig" ver­pflichten musste, die Erstat­tungen für alle umgehend auszu­zahlen.
Für die Ablauf-Fristen bleibt aber der gesetz­lich festge­legte Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs relevant, und das ist für die Bewohner der orange-far­benen inneren Nacht­schutz­zone der 12. Oktober 2016, denn am 13. Oktober 2011 trat die Verord­nung über die Fest­setzung des Lärm­schutz­bereichs für den Verkehrs­flughafen Frank­furt Main in Kraft, die diese Zone definiert hat. Für alle Anderen läuft die Frist erst fünf Jahre später ab. Will man aller­dings zusätz­lich Mittel aus dem Regional­fonds in Anspruch nehmen, muss man beachten, dass deren Frist früher abläuft (siehe unten).


Schallschutz-Maßnahmen nach dem Regionalfonds-Gesetz

Um die Empörung über den unzurei­chenden Lärmschutz rund um den Frank­furter Flughafen etwas zu dämpfen, hat die hessische Landes­regierung 2012 das sog. Regional­fonds-Gesetz auf den Weg gebracht. In diesem Regional­fonds stehen zusätz­lich ca. 120 Mill. Euro für Lärm­schutz­maßnahmen und "nach­haltige Regional­entwicklung" zur Verfügung, davon 100 Mill. aus Steuer­geldern. Zusätzlich werden noch 150 Mill. Euro für zins­günstige Kredite bereit­gestellt. Über Umfang und Vertei­lung der Mittel wurde im "Forum Flughafen und Region" längere Zeit gefeilscht, das Ergebnis wird dort unter Kriterien­katalog Regional­fonds beschrieben.
Im Ergebnis werden in einem eigens definierten "Anspruchs­gebiet" ca. 17.300 Haus­halte mit max. 4.350 Euro pro Wohn­einheit gefördert. Die Kriterien, was gefördert werden kann, sind flexibler, aller­dings besteht auch kein Rechts­anspruch auf diese Förderung. Gegen die Entscheidung des Regierungs­präsidiums gibt es im Falle der Ableh­nung nur die Möglich­keit eines Ein­spruchs bei einer sog. "Härte­fall-Kommis­sion" - und wenn das Geld verbraucht ist, gibt es ebenfalls keinen Anspruch mehr. Es lohnt sich also, den Antrag bald zu stellen.
Um die Mittel in Anspruch nehmen zu können, muss man vorher die Ansprüche nach FluLärmG geltend gemacht haben. Endgül­tiges Ende der Antrags­frist ist fünf Jahre nach Inkraft­treten der Förder­richt­linie, also am 31.12.2017.


Entschädigung nach der Fluglärm-Außen­wohnbereichs­entschädigungs-Verordnung

Am 20.08.13 hat die Bundes­regierung die Dritte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm mit dem schönen Namen "Fluglärm-Außen­wohnbereichs­entschädi­gungs-Verordnung - 3. FlugLSV" beschlossen.
Danach können Besitzer von sog. "Aussen­wohn­bereichen", d.h. Balkonen, Terassen etc., in der Tagschutz­zone 1 eine Einmal­zahlung erhalten dafür, dass sie dauerhaft den Fluglärm ertragen müssen. Die Pauschalen, die der Flughafen­betreiber zahlen soll, sind in §5 festgelegt, dazu gibt es noch Ausnahme­regelungen. So können Besitzer hochwer­tiger Häuser oder Wohnungen statt der Pauschalen einen prozen­tualen Anteil am Verkehrs­wert geltend machen, und der Betrag kann durchaus höher sein - frei nach dem christ­lich-libera­len Motto: Wer viel hat, dem wird auch mehr gegeben.
Wer den Verkehrs­wert einer Raunheimer Immobilie offiziell bestimmen lassen möchte, muss sich an den "Gutachter­ausschuss für Immobilien­werte für den Bereich des Land­kreises Groß-Gerau" beim "Amt für Boden­management" in Heppen­heim wenden (Kontakt und Preis­liste). Der gleiche Ausschuss kann den Verkehrs­wert auch schätzen mithilfe einer Software, die mit aktuellen Vergleichs­werten gefüttert wurde. Diese Schätz­werte können vom "wahren" Wert in beiden Richtungen abweichen, werden aber eben­falls anerkannt und haben den Vorteil, kostenlos erstellt zu werden. Die Kosten für ein voll­ständiges Gut­achten müssen von Fraport nur über­nommen werden, wenn sich daraus tatsäch­lich ein höherer Ent­schädigungs­wert ergibt als der Betrag der entspre­chenden Pauschale. Dieses Verfahren ist im Gesetz nicht vorgesehen, wurde erst im letzten Jahr einge­führt und in einem Vortrag in einer Sitzung der Flug­lärm­kommis­sion erläutert.
Hier kann man sich aber Zeit lassen - der Rechts­anspruch entsteht erst ab Oktober 2016 und erlischt erst fünf Jahre später. Stellen kann man den Antrag jetzt trotzdem schon.

Im Dezember 2015 hat das RP Darmstadt eine neue Info-Broschüre veröffentlicht, die auf 20 Seiten noch einmal aktuell alle wesentlichen Punkte, die auch oben beschrieben wurden, zusammenfasst.


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