Stand: 02.2024


BIFR-Doku:

Flughafen und Luftverkehr in Frankfurt bis 1945


Die Geschichte des Luft­verkehrs in Frank­furt beginnt schon im vor­vorigen Jahr­hundert mit einzelnen experimen­tellen Aktivi­täten. Zu Beginn des vorigen Jahr­hunderts gab es auch regel­mäßigen Betrieb, zunächst mit Ballons im Bereich der Forschung.
Der Physika­lische Verein griff das Thema schon in seiner Grün­dungs­versamm­lung auf: "In der ersten Sitzung am 24. Oktober 1824 wurde neben der Eröff­nungs­rede auch ein Aufsatz über die Luft­schiff­fahrt vorge­tragen". Seit 1906 führte er regel­mäßige wissen­schaft­liche Ballon­flüge durch, 1908 wurde dazu der bis heute beste­hende Frank­furter Verein für Luft­fahrt ausge­gründet. Die "Frank­furter Rund­schau" berichtet anläss­lich des 200. Geburts­tags des Vereins "Die Ballon­fahrerei spielte am Anfang des Vereins­lebens eine große Rolle. Tat­säch­lich ist der Physika­lische Verein mit seinem Wetter­dienst, der zum Flug­wetter­dienst wurde, mit verant­wortl­ich dafür, dass 1909 die Inter­natio­nale Luft­fahrt-Aus­stel­lung in Frank­furt stattfand, und er hat auch Anteil am Bau des Flug­hafens."

Plakat ILA Frankfurt

Ebenfalls 1908 wurde in Frank­furt der Deutsche Luft­schiffer Tag abge­halten, und Oskar Ursinus grün­dete hier die Zeit­schrift 'Flug­sport'.

Vor allem aber setzte der dama­lige Frank­furter Ober­bürger­meister Adickes die Politik seines Vor­gängers Miquel konse­quent fort, Frank­furt zur Förde­rung der Wirt­schaft durch alle Arten von Verkehrs­wegen (Eisen­bahn, Schiffs­verkehr, Strassen­bau) besser zu erschlies­sen. Er setzte sich dafür ein, die Inter­natio­nale Luft­schif­fahrt-Aus­stel­lung 1909 nach Frank­furt zu holen und wurde Mitbe­gründer der welt­weit ersten Flug­gesell­schaft DELAG (Deutsche Luft­schif­fahrts-Aktien­gesell­schaft), die auf dem von der Stadt Frank­furt schon 1910 gepach­teten Rebstock-Gelände ab 1912 den "Luft­schiff­hafen am Rebstock" betrieb.
Eben­falls 1912 verlegte August Euler seine Fabrik für Motor­flug­zeuge und seine Flug­schule nach Frank­furt, und mit seiner als "Gelber Hund" bekannt gewor­denen Kon­struk­tion startete der erste Luft­post­verkehr von Frank­furt nach Darm­stadt.

Der Beginn des Ersten Welt­krieges 1914 setzte dem zivilen Luft­verkehr zunächst ein Ende. Bereits 1910 hatte das Kaiser­reich begonnen, Luft­streit­kräfte unter Einbe­ziehung von Flug­zeugen aufzu­stellen. Mit Kriegs­beginn wurde die gesamte Luft­verkehrs­wirt­schaft militä­risch ausge­richtet und alles Flug­gerät beschlag­nahmt. Auch Luft­schiffe kamen für Auf­klärungs­flüge und Bomben­abwürfe zum Einsatz, aber der eigent­liche Luft­krieg wurde mit Motor­flug­zeugen geführt. Noch 1917 legte die Deutsche Luft­waffe ein riesiges Auf­rüstungs­programm auf, das aber die Kräfte­verhält­nisse nicht mehr entschei­dend verän­dern konnte.
Diese Erfah­rungen führten dazu, dass nach der deutschen Nieder­lage der Luft­verkehr in Deutsch­land von den Sieger­mächten dras­tisch einge­schränkt und die Flug­zeug-Produk­tion massiven Beschrän­kungen unter­worfen wurde. In Frank­furt, das in der ent­militari­sierten Zone entlang des besetzten Rhein­lands lag, konnte der Flug­verkehr erst 1924 wieder aufge­nommen werden.
Aller­dings blieb die einmal einge­führte Militari­sierung des Sektors nicht ohne Folgen. Auch wenn in den ersten Jahren die Auf­lagen über­wiegend einge­halten wurden und mit August Euler zunächst ein Mann an die Spitze des "Reichs­amtes für Luft- und Kraft­fahrzeug­wesen" kam, der ernst­haft für eine zivile, inter­natio­nal verbun­dene Luft­fahrt eintrat, gab es von Anfang an Bemüh­ungen, die militär­ischen Ent­wick­lungen weiter zu ver­folgen.

Nahezu alle deutschen Flug­zeug-Her­steller bemühten sich, für aus­ländische Kunden Flug­zeuge herzu­stellen und Techniken weiter­zuent­wickeln, die in Deutsch­land verboten waren. An führender Stelle waren dabei die Junkers-Werke, die schon ab 1922 Zweig­betriebe in der Sowjet­union und in Schweden auf­bauten. Seit 1921 führte die "Junkers Luft­verkehr AG" einen eigenen Flug­betrieb durch und wurde in wenigen Jahren kurz­zeitig "zur bedeu­tend­sten Flug­gesell­schaft der Welt" mit einem Strecken­netz in ganz Mittel­europa und Strecken in Vorder­asien und Süd­amerika. Auch Frank­furt gehörte zu diesem Strecken­netz, weshalb sich Junkers auch an der 1924 gegrün­deten Flug­hafen-Betreiber­gesell­schaft "Südwest­deutsche Luft­verkehrs AG" betei­ligte.

Deutsche Luft Hansa

Aber der Flug­betrieb war von Anfang an überall defi­zitär und nur durch massive Subven­tionen sowohl der Reichs­regie­rung als auch der betei­ligten Städte bzw. Länder aufrecht zu erhalten. Mit zuneh­mender Wirt­schafts­krise wurde ins­beson­dere die Ab­hängig­keit von der Reichs­regie­rung immer grösser, so dass diese schon 1926 die Fusion mit der aus Fusio­nen und Über­nahmen unter Führung der Deutschen Bank entstan­denen zweiten grossen deutsch Flug­gesell­schaft, der Deutschen Aero-Lloyd AG (DAL), erzwingen konnte.
Die daraus entstan­dene Deutsche Luft Hansa AG war als fakti­scher Mono­polist das geeig­nete Instru­ment, um die zivile Luft­fahrt ganz auf das Ziel einer zunächst noch ver­deckten, aber gegen Ende der zwanziger Jahre immer offener verfolg­ten und ab 1935 auch offi­ziell verkün­deten Auf­rüstung und Bil­dung einer neuen deutschen Luft­waffe auszu­richten.

Auch die Entwick­lung des Frank­furter Flug­hafens geriet zunehmend unter den Einfluss milita­ristischer Kräfte. Waren die Expan­sions­planungen Ende der zwan­ziger Jahre unter Ober­bürger­meister Land­mann noch primär wirt­schaft­lich moti­viert, erfolgte die Umset­zung der Verla­gerung in den Frank­furter Stadt­wald durch die national­sozialis­tischen Regie­rungen in Stadt, Gau und Reich ab 1934 bereits auch unter militä­rischen Gesichts­punkten. Mit Kriegs­beginn 1939 verliessen alle auslän­dischen Flug­gesell­schaften Frank­furt, und der Flug­hafen wurde der Luft­waffe unter­stellt, wobei aber die Südwest­deutsche Luft­verkehr weiter­hin den alltäg­lichen Betrieb verwal­tete.
Prak­tische militä­rische Bedeu­tung hatte der Flug­hafen aller­dings nur zu Beginn des Krieges beim Frank­reich-Feld­zug und in der Schluss­phase, in der die Front wieder näher heran­rückte. 1944 kam es zu dem Versuch, den Flug­hafen durch den Bau einer neuen, befes­tigten Start- und Lande­bahn (Vor­läuferin der heutigen Süd­bahn) für eine der letzten "Wunder­waffen" des Nazi-Regimes, den Düsen­jäger Me 262, taug­lich zu machen. Unter Leitung der Firma Züblin und unter Aufsicht der SS und der Südwest­deutschen wurden 1.700 jüdische Zwangs­arbeiter­innen aus Ungarn in das KZ-Außenlager Walldorf geschleppt, um den Bau auszu­führen. Die Bahn ging aller­dings nie in Betrieb, da alli­ierte Bombarde­ments den Flug­hafen Ende 1944 weit­gehend zerstör­ten. Im März 1945 wurden die letzten noch intakten Einrich­tungen von der Wehr­macht gesprengt.


Lehren aus der Geschichte

Die beiden wesent­lichen Faktoren, die die Geschichte des Luft­verkehrs bis 1939 geprägt haben, wirkten auch nach 1945 und bis heute weiter.
Ohne massive staat­liche Subven­tionen ist ein Luft­verkehr für breite Schichten der Bevölke­rung bis heute nicht wirt­schaft­lich darstell­bar. Würden die sonst üblichen Steuern und kosten­deckende Gebühren erhoben, müssten die Ticket­preise bereits um ein Viel­faches ansteigen. Müssten die Flug­gesell­schaften darüber hinaus auch noch für die von ihnen verur­sachten Gesund­heits- und Umwelt-Schäden auf­kommen, wäre Fliegen besten­falls noch für eine dünne Schicht von Super­reichen finan­zierbar.

Auch der militä­rische Einfluss auf den Luft­verkehr war und ist weiter wirksam. Zwar musste die Wieder­bewaff­nung der Bundes­republik nach ihrer Gründung 1949 weniger vor den West­alli­ierten geheim­gehalten werden, die früh die Notwen­digkeit eines hoch­gerüs­teten Front­staates gegen die Sowjet­union sahen, als viel­mehr vor der eigenen Bevöl­kerung, aber auch dieser Wider­stand wurde über­wunden. Die Bundes­wehr entwick­elte sich analog der Struk­turen der alten Wehr­macht mit eigen­sständiger Luft­waffe, die aber, wohl auch auf Grund der erziel­ten tech­nischen Fort­schritte und des damit verbun­denen hohen Inves­titions­bedarfs, von Anfang an in die west­lichen Ver­teidi­gungs­struk­turen einge­bunden war.
Der Flug­hafen Frank­furt wurde schon im April 1945 als US Air Base wieder in Betrieb genommen. Ziviler und militä­rischer Betrieb liefen bis 2005 parallel, aller­dings waren es im militä­rischen Bereich ab den sechziger Jahren wohl vor­wiegend aus Sicher­heits­gründen über­wiegend Trans­port­maschinen, die die Air Base nutzten, keine Kampf­flugzeuge. Für die Verlage­rung der Air Base und den Ausbau der neuen Basen Ramstein und Spang­dahlem zahlten die Fraport 130, Bund, Hessen, Rheinland-Pfalz und Frankfurt 162 Millionen Euro.

Auch wenn ziviler und militä­rischer Betrieb heute zumindest inso­weit ent­flochten sind, als getrennte Infra­struk­turen, insbe­sondere Flug­plätze, genutzt werden, gibt es in anderen Bereichen nach wie vor intensive Verbin­dungen. Das beginnt mit der Flug­sicherung, die sowohl in Deutsch­land in der DFS als auch auf europä­ischer Ebene bei EUROCONTROL zivil-militä­risch inte­griert ist.
Besonders eng ist die Inte­gration aber im Bereich von For­schung und Entwick­lung und im Flug­zeug­bau, wo nach einer Phase von Fusionen zunächst auf deutscher, dann aber auch auf europä­ischer Ebene mit Airbus SE ein Muster­beispiel für ein Element jenes Militä­risch-indus­triellen Komplexes ent­standen ist, vor dem US-Präsi­dent Eisen­hower schon 1961 warnte und der inzwischen noch wesent­lich mäch­tiger geworden ist.


Quellen

Neben den verlinkten Quellen wurden für diese kurze Übersicht im Wesentlichen noch zwei weitere, nicht (vollständig) online verfügbare Texte herangezogen:

Lutz Budrass - Adler und Kranich
Die Lufthansa und ihre Geschichte 1926-1955,
       dazu eine Leseprobe und ein Interview mit dem Autor.

Albert Fischer - Luftverkehr zwischen Markt und Macht (1919–1937)
Lufthansa, Verkehrsflug und der Kampf ums Monopol
       dazu eine Leseprobe.


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