"Aktiver Schallschutz" bedeutet, die Lärmentstehung an der Quelle zu reduzieren oder aber die Lärmquelle weiter vom Einwirkungsort weg zu bringen. Für Fluglärm heißt das, die Flugzeuge leiser zu machen bzw. sie höher oder weiter entfernt von Ortschaften fliegen zu lassen.
Die Geschichte des aktiven Schallschutzes im Zusammenhang mit dem jüngsten Ausbauschritt am Frankfurter Flughafen beginnt mit dem Antilärmpakt, den der damalige Vorsitzende des "Regionalen Dialogforums", Herr Prof. Dr. Wörner, noch in letzter Minute durchsetzen wollte. Obwohl nie formal verabschiedet, wurde er eine Grundlage der Arbeit der Nachfolgeeinrichtung, des Forum Flughafen & Region / Umwelthaus GmbH. Dieses setzte ein Expertengremium ein, das ein erstes "Massnahmepaket Aktiver Schallschutz" entwickelte und dazu im Juli 2010 einen Endbericht, im Juni 2012 einen Monitoring-Bericht und im November 2016 eine 5-Jahres-Bilanz(?) vorlegte.
Parallel dazu wurde auf der Basis einer Gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 2007 im Februar 2012 die
Allianz für Lärmschutz gegründet, die ihre eigene Maßnahmeliste einführte.
Das sind zwar partiell die gleichen Akteure, sie agieren aber zuweilen durchaus unterschiedlich, wie nachfolgend gezeigt wird.
Ende 2013 veranstaltete das FFR mit Unterstützung gewichtiger Partner zum zweiten Mal (nach 2010) eine "International Conference on Active Noise Abatement" (Internationale Konferenz Aktiver Schallschutz), ICANA. Die
Dokumentation der Vorträge und Links zu Video-Mitschnitten sind online verfügbar, ebenso wie die dort verabschiedete
Frankfurter Erklärung.
Ende 2016 gab es die dritte Konferenz dieser Art, die ebenfalls komplett online angesehen und nachgelesen werden kann. (2015 gab es auch eine ICANA-Konferenz, die diente aber ausschließlich der Vorstellung der NORAH-Gesundheitsstudie.)
Die Entwicklungsgeschwindigkeit der Maßnahmeplanung war zeitweise enorm. Während die Experten noch 7 Maßnahmen in ihr Paket packten, listet die Allianz stolze 19 auf (die Nummerierung geht zwar nur bis 16, aber bei gutem Willen kann man einige Punkte als mehrere Teil-Maßnahmen sehen). Die haben aber sehr verschiedenen Charakter: 3 dienen nur dazu, Fehlplanungen bei der Umstellung auf das 4-Bahn-System zu korrigieren (Anhebung der Flughöhen bei Gegen- und Zwischen-Anflügen), eine möchte überwiegend aus anderen Gründen durchgeführte Flottenmodernisierungsmaßnahmen als Schallschutz verkaufen, und eine ist durch "unvorhergesehene" Einschränkungen (Nachtflugverbot) zur Lachnummer verkommen, die so wirkungslos ist, dass nicht einmal die Schäden, die sie theoretisch anrichtet, spürbar werden. Wieder andere beziehen sich auf Forschungsvorhaben mit sehr begrenzter Wirkung (Reduzierung Bodenlärm), ökonomische Instrumente mit unklarer Reichweite (Spreizung Lärmentgelte) oder sind ohnehin nur "zur Prüfung" aufgelistet (neue An- und Abflug-Routen).
Am 18.07.14 hat die "Kommission zur Abwehr des Fluglärms, Flughafen Frankfurt Main" (kurz Fluglärmkommission, FLK) mit einer
Pressemitteilung daran erinnert, dass sie seit 10 Jahren aktiv und mit eigenen Vorschlägen für aktiven Schallschutz eintritt und einen Bericht vorgelegt, der den Stand der Umsetzung der Vorschläge bewertet. Von den 81 vorgelegten Vorschlägen sind lt. Bericht "je 1/3 ... realisiert bzw. umgesetzt, nicht umgesetzt oder befinden sich noch in der Prüfung". Besonders interessant sind die nicht umgesetzten Vorschläge, weil man daraus viel darüber lernen kann, was einem wirksamen Schallschutz im Weg steht.
Da die FLK überwiegend aus Kommunal-Vertretern zusammengesetzt ist und ausser einer kleinen Geschäftsstelle nicht über eigene Ressourcen verfügt, ist sie für die Ausarbeitung und Beurteilung von technischen Vorschlägen zum Schallschutz auf externe Expertise angewiesen, die überwiegend vom o.g. Forum Flughafen und Region gestellt wird. Viele dieser Vorschläge wurden daher über das "Expertengremium Aktiver Schallschutz" eingebracht und umgesetzt. Eigenständige Beiträge der FLK gibt es im Bereich der politischen Bewertung von Maßnahmen und der Beteiligung von Betroffenen.
Die für Raunheim interessanten Maßnahmen haben allesamt ein trauriges Schicksal erlitten. Von den Maßnahmen, die im Fluglärmentlastungskonzept Raunheim gefordert wurden, hatten es ohnehin nur zwei in das Maßnahme-Paket geschafft: die Erhöhung der Rückenwind-Komponente und die Erhöhung des Anfluggleitwinkels. Letztere sollte zunächst allerdings nur für die Nordwestbahn getestet werden und hat diese Tests inzwischen erfolgreich bestanden; die Übertragung auf Center- und Südbahn wird allerdings von der Einführung eines neuen Navigationssystems (GBAS) abhängig gemacht und damit weit in die Zukunft verschoben. Immerhin meint aber auch die Allianz, dass daran zumindest geforscht werden sollte.
Spurlos verschwunden ist dagegen die Erhöhung der Rückenwind-Komponente. Während in den Empfehlungen zum Monitoring-Bericht zumindest noch erwähnt wird, dass die Umsetzung im Auge behalten werden sollte, taucht sie im Allianz-Katalog nicht mehr auf. Dies erklärt sich allerdings auch aus der unterschiedlichen Funktion beider Papiere: während das Expertengremium tatsächlich versucht, eine
Reduzierung der Lärmbelastung nach seinen Kriterien zu erreichen (d.h. auch eine Lärmumverteilung in Kauf zu nehmen, wenn dadurch Höchstbelastete entlastet werden und der Lärmindex sinkt), ist die Allianz eine politische Show-Veranstaltung, die primär dazu dient, den Protest zu befrieden. Und da man einschätzt, dass die Mehrheit der Protestierenden diese Maßnahme nicht will oder zumindest nicht fordert, fällt sie eben unter den Tisch.
Schlimmer noch: wie eine Untersuchung der Betriebsrichtungsverteilung in Abhängigkeit von den Windverhältnissen am Flughafen ergeben hat, war 2013 und 2014 der Anteil der Betriebsrichtung 07 höher als der Anteil der Windsituationen, in denen überhaupt eine Ostwind-Komponente vorlag. Mit anderen Worten: es gibt nicht nur keine Erhöhung, eine Anwendung der Rückenwind-Komponente zugunsten der höher belasteten Kommunen im Westen erfolgt (zumindest zeitweise) nicht mehr.
Die Versetzung der Landeschwellen nach Osten bei Betriebsrichtung 07, die niemandem schaden würde, ist von Anfang an daran gescheitert, dass die dafür notwendigen Investitionen in die Infrastruktur (die für
Kapazitätssteigerungen durchaus denkbar waren) zur Entlastung der Handvoll Betroffener in Raunheim, Rüsselsheim und weiter westlich natürlich viel zu hoch wären.
Der neue Lärmaktionsplan für den Flughafen lehnt die Maßnahme auch ab, aber formuliert das (auf S. 144) etwas freundlicher: es "müssten Rollwege und Infrastruktur geändert werden ... . Die Beibehaltung der 4.000 m Landebahnen für schlechte Wetterbedingungen kombiniert mit variabel verkürztem Schwellenersatz ist nach bisherigem Kenntnisstand in Frankfurt nicht umsetzbar, da die erforderliche Kombination und Verlagerung von Rollwegen flächenmäßig nicht darstellbar ist." - und diesen Kenntnisstand irgendwie zu verändern oder zu erweitern, gibt es natürlich keinen Grund.
Interessant ist auch das Schicksal der ursprünglichen Maßnahme Nr. 1, die vertikale Optimierung der Abflugverfahren, sprich die Einführung von Steilstarts. Hier erkennt man (zumindest im Nachhinein) die Wirkung geschickter Lobbyarbeit. Während im Expertengremium anfangs völlig klar war, dass nur steilere Starts zu einer Reduzierung des Lärm führen können, taucht in den Empfehlungen des Monitoring-Berichts plötzlich der Hinweis auf, dass alle Startverfahren, auch Flachstarts, auf den Prüfstand sollten, obwohl keinerlei technische Begründung dafür existiert. Sie ist eben ökonomischer Natur: Lufthansa möchte die Flachstarts, weil sie glaubt, damit Treibstoff sparen zu können.
Bereits im Februar 2013 hatte Lufthansa heimlich begonnen, ein neues Startverfahren zu praktizieren. Der Test dauerte nur eine Woche, dann kam ein Journalist dahinter und damit trat ein Problem auf, das prompt zum Abbruch führte. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben - der nächste Versuch startete am 1. Juli. Was Lufthansa genau vorhatte, blieb lange im Dunkeln. Von sich aus zu informieren, was sie den Menschen zuzumuten gedenken, haben sie nicht nötig, und auf Fragen antwortet der "gute Nachbar" auch nicht. Das Forum Flughafen und Region beantwortete die Detail-Fragen ebenfalls nicht, stellte aber ein paar allgemeine Aussagen zu Startverfahren bereit.
Gemäß einer Präsentation der LH in der Sitzung der Fluglärmkommission im April 2013 sollte das bisherige Standard-Verfahren durch ein Verfahren ersetzt werden, das zur ICAO-Klasse NADP2 gehört. Das sagt zunächst einmal nur, dass es sich um ein Verfahren handelt, das ICAO empfiehlt, wenn der Lärm nur in einer weiteren Entfernung vom Startpunkt eine Rolle spielt. Was nah und was weit ist, hängt dabei u.a. vom Flugzeugtyp ab. Da die Flugmanöver an die jeweils erreichte Höhe gebunden sind, endet der Nahbereich für leichte, schnell steigende Maschinen bereits in etwa 5 km Entfernung vom Startpunkt, während er bei den schweren Kisten ("Heavies") bis zu 15 km ausgedehnt sein kann. Da diese auch für Lärmbetrachtungen die relevantesten sind, ist diese Lufthansa-Entscheidung also ein Schlag auf die Ohren aller Menschen, die weniger als 15 km vom Flughafen entfernt leben und eine Abfluglinie in der Nähe haben (das Raunheimer Stadtzentrum ist ca. 6 km vom Startpunkt der Centerbahn entfernt).
Am 28.05.2013 hat Lufthansa per Pressemitteilung verlautbart, dass das neue Verfahren ab 01.07.2013 für drei Monate "getestet" werden sollte. Genaueres erfuhr man aber auch hier wieder nicht. In einer Last-Minute-Aktion, wiederum per
Presseinformation mitgeteilt, wurde der "Test" wieder auf ein Jahr verlängert, aber dafür auf Abflüge von der Startbahn West beschränkt. Zugleich wird aber auch aus der PM und einem gleichzeitigen Vortrag des Umwelthauses in der Fluglärm-Kommission deutlich, dass eine echte Messung der Auswirkungen des neuen Verfahrens nicht vorgesehen war - das geplante Monitoring ist keins.
Dies bestätigt der Monitoring-Bericht, den das FFR/UNH in der Sitzung der Fluglärmkommission am 09.07.14 vorgestellt hat. Wenig Daten, viel Statistik - so versuchen die Autoren, doch noch irgendwie die gewünschte Schlussfolgerung zu begründen. Überzeugend ist es nicht. Auch die FLK mochte auf dieser dünnen Grundlage keinen Freibrief für das neue Verfahren ausstellen. Aber auch hier gilt wieder: die FLK berät, entscheiden tun andere. In einer
Presseinformation vom 10.09.14 teilt Lufthansa mit, dass sie "ab heute" das neue Flachstartverfahren "deutschlandweit" eingeführt hat.
Was künftig droht, zeigt ein Blick auf die heutige Belastung beim Startbetrieb. Die Grafik rechts zeigt die Abflugspuren eines halben Tages (12.05.2013, 12 - 24 Uhr) bei Betriebsrichtung 25. Wie man sieht, kann von einer Abflugroute bei der Südumfliegung kaum die Rede sein. Der Bereich, der überflogen wird (und damit der Abstand zur Bebauung), variiert sehr stark. Und auch die Flughöhen unterscheiden sich stark: während einzelne schon früh Höhen über 2.000 m erreicht haben (gelbe Linien), quälen sich andere unter 1.000 m (rote Linien) durchs ganze Bild. Die hinterlegte grössere Grafik zeigt, was das für Auswirkungen hat: die markierte rote Linie ist die Flugspur einer Lufthansa 747-400, die in Höhen zwischen 600 und 800 m an Raunheim vorbeidröhnt und dabei den Süden der Stadt mit 81 dB(A) beschallt. Selbst im Nordwesten werden noch 71 dB(A) erreicht. Das sind Werte, die viele anfliegende Flugzeuge nicht erreichen, die direkt über das Stadtgebiet fliegen.
Zu befürchten ist, dass derartige Belastungen zunehmen. Zum einen hat Lufthansa ja immerhin schon zugegeben, dass künftig in diesem Bereich niedriger geflogen werden soll. Zum anderen muss man davon ausgehen, dass bei dem neuen Verfahren enge Kurvenradien schwieriger werden, da der Schub weniger in Höhengewinn und mehr in Geschwindigkeit umgesetzt wird, und daher die Annäherungen an Raunheim, wie sie hier noch als Einzelfall zu sehen ist, häufiger vorkommen werden. Wenn dann die DFS auch noch Vorgaben macht, die ein zu frühes Abbiegen nach Süden verhindern sollen, um die Südumfliegung von den Starts auf der 18 West unabhängig zu machen, kann man fast sicher sein, dass sich die Abweichungen Richtung Raunheim verlagern werden.
Dazu kommt, dass mit ziemlicher Sicherheit auch die Schadstoff-Immissionen zunehmen werden. Das ICAO-Umweltkomitee hat in einem Arbeitspapier festgestellt, dass NADP2-Verfahren im Vergleich zu NADP1-Verfahren (zu denen man das bisher in Frankfurt geflogene Verfahren rechnen kann) zwar 0,6 bis 2,7 % weniger Kohlendioxid produzieren (und entsprechend viel Treibstoff einsparen), dafür aber zwischen 5 und 20 % mehr Stickoxide im Nahbereich emittieren. Auch wenn noch umstritten ist, wie hoch der Beitrag des Luftverkehrs zur Stickoxid-Belastung insgesamt ist: klar ist, dass diese Belastung schon jetzt im Rhein-Main-Gebiet fast ganzjährig zu hoch und damit jede zusätzliche Steigerung unverantwortlich ist.
Eine andere Art des "lauter fliegen", die besonders Raunheim betrifft, ist die Praxis des sog. "Swing-over", d.h. des Bahnwechsels vor der Landung. In der Regel passiert das, um vom Anflug auf die Südbahn noch schnell auf die (ev. gerade erst frei gegebene) Centerbahn zu wechseln, um nach der Landung schneller am Terminal zu sein. Wie die Flugspuren zeigen, ist das auch kurz vor dem Aufsetzen noch möglich (s. Grafik links, zum Vergrössern anklicken) und, da es in
niedriger Höhe über dem Stadtgebiet erfolgt, mit zusätzlichem Lärm verbunden.
Ab 50 km Entfernung im kontinuierlichen Sinkflug anfliegen, um Lärm zu vermeiden, aber auf den letzten Metern einen Zauber wie bei einer Flugshow zu veranstalten - wie passt das zusammen? Verantwortlich für das Verfahren ist die DFS, die jeden Swing (auf Antrag des Piloten) genehmigen muss - aber es ist wohl kein Zufall, dass man bei Prüfung des Einzelfalls (fast) immer LH-Piloten als Mitglieder dieses Swinger-Clubs findet.
Zu dem unnötigen Krach, den das Swing-Manöver erzeugt, kommt natürlich noch die Tatsache, dass entgegen früherer Versprechungen der Raunheimer Norden durch die dauernde Nutzung der Centerbahn eben doch ständig mit extremem Fluglärm belastet wird - weitaus weniger als früher, aber trotzdem störend, besonders wenn es früh morgens oder spät abends passiert. Da reicht eben schon ein besonders lauter Flieger, um den Schlaf zu beenden oder zu verhindern.
In der Sitzung der Fluglärm-Kommission im November 2013 hat die DFS beantragt, das bis dahin anscheinend nur "informell" geflogene Manöver nun auch offiziell einzuführen, allerdings nur für die Betriebsrichtung 25, also bei Anflug aus Osten. Eine dazu vorgelegte Betrachtung der Lärmwirkungen durch das Umwelthaus zeigt, dass dadurch Neu-Isenburg und Zeppelinheim rechnerisch entlastet werden, während der Lärm in Sachsenhausen und Niederrad nur unwesentlich zunehmen soll. Für die Betriebsrichtung 07 kommt die Betrachtung zu dem Ergebnis, dass Raunheim dadurch unakzeptabel belastet wird, ohne dass irgendwo Entlastungen auftreten. Die BI hatte deshalb die DFS in einer Presseerklärung aufgefordert, dieses Verfahren sofort einzustellen. Aktuell scheint es über Raunheim auch nur noch selten angewendet zu werden.
So verschlossen sich Lufthansa bei der Umsetzung profitträchtiger, aber potentiell belastender Maßnahmen gibt, so laut schreien sie und ihre Allianz-Partner bei anderen Maßnahmen, bei denen keine negativen Auswirkungen zu befürchten sind, auch wenn dabei die Grenze zur Peinlichkeit mehrfach überschritten wird. Hauptsache, das Thema bleibt in den Medien und ausserhalb der betroffenen Region wird der Eindruck erweckt: "Die tun was".
Allein im September/Oktober 2013 wurden drei "Maßnahmen des aktiven Schallschutzes" in den Medien bejubelt, die sich bei genauerem Hinsehen eher als peinlicher Beleg dafür entpuppen, wie wenig Schallschutz in der Vergangenheit eine Rolle spielte und wie unzureichend seine Förderung auch heute noch ist. Zweimal war daran die Lufthansa beteiligt.
Fast zeitgleich wurden auch andere Zahlen präsentiert, aber das schadet der Glaubwürdigkeit auch nicht mehr ...
Quelle: Dokumentation ICANA 2013, Teil 2, S. 39
Am 19.9.13 verkündete LH "die größte, private Einzel-Investitionen in der deutschen Industriegeschichte", die Bestellung von "34 Boeing 777-9X und 25 Airbus A350-900" für "die Langstreckenflotten der Lufthansa Group". "Der Lärmteppich der neuen Modelle wird mindestens 30 Prozent kleiner sein, als bei heutigen Flugzeugen", heißt es vollmundig, und der Noch-Vorstandsvorsitzende Franz setzt noch einen drauf: „Jeder einzelne A350 und jede einzelne Boeing 777 entfaltet in Deutschland die Beschäftigungswirkung eines mittelständischen Unternehmens“.
Klingt phantastisch, solange man nicht bedenkt, dass es sich hier um längst überfällige Ersatzbeschaffungen handelt, die, beginnend 2016, über zehn Jahre verteilt werden. Lufthansa rangiert im aktuellen
Effizienzrating von Atmosfair auf Platz 72 von 125 getesteten Airlines, eine Modernisierung der Flotte ist schon aus ökonomischen Gründen dringend nötig. Dass neuere Flugzeuge leiser sind, ergibt sich zwangsläufig aus der Tatsache, dass vor 40 Jahren (damals wurden die jetzt zu ersetzenden Typen entworfen) der Schallschutz überhaupt keine Rolle gespielt hat. Der beliebte 30%-Vergleich ist eine weitere Irreführung, denn er bezieht sich nur auf die Größe der Fläche, innerhalb derer extrem lauter Startlärm auftritt, und besagt keinesfalls, dass es an irgendeinem gegebenen Ort "30% leiser" würde.
... denn je nach gewünschter Wirkung kann man die Sachverhalte auch anders darstellen.
Quelle: LH Politikbrief 04/2014, S. 3
Zur richtigen Einordnung dieses Beschaffungsprogramms ist es auch hilfreich zu wissen, dass die in Dubai ansässige Emirates allein auf der diesjährigen dortigen Airshow neue Flugzeuge in einem Wert geordert hat, der etwa dem Dreifachen des Gesamt-Investitionsprogramms der Lufthansa entspricht - und dabei auch schon die ersten A380 wieder austauscht, weil sie nicht effizient genug sind.
Das ist aber natürlich keine begrüssenswerte umweltpolitische Grosstat, sondern ein verdammungswürdiger Verdrängungswettbewerb eines staatlich subventionierten Prestigeprojekts zulasten der bedauernswerten privatwirtschaftlichen Konkurrenz (s. Grafik links).
Den nächsten Knüller lieferte LH mit einer Pressemitteilung am 29.10.13: Die A320-Flotte erhält "sogenannte Wirbelgeneratoren", die "den Gesamtschallpegel des Flugzeugs im Anflug um bis zu zwei Dezibel reduzieren" sollen. 157 Flugzeuge werden "ab Januar 2014" damit ausgestattet.
Auch hier hat die hochtrabende Ankündigung einen peinlichen Hintergrund: es handelt sich um die Beseitigung eines simplen Konstruktionsfehlers, der seit mehr als zehn Jahren bekannt ist (DLR-Jahresbericht 2001/02, S. 44, s. Grafik rechts).
Lufthansa selbst hatte diese Maßnahme schon in der Gemeinsamen Erklärung aus dem Jahr 2007 angedeutet und im Februar 2012 in der Maßnahmeliste der
Allianz für Lärmschutz konkret benannt.
Statt sich nun aber für die jahrelange unnötige Lärmbelastung zu entschuldigen, feiert sich Lufthansa für eine Selbstverständlichkeit, die zudem noch teilweise von Anderen bezahlt wird. Durch die Umrüstung fallen die Flugzeuge nämlich ab 2015 in eine günstigere Kategorie der Lärmentgelte auf FRA, so dass LH einen grossen Teil der Kosten gleich wieder einspart.
Die Peinlichkeiten waren damit aber nicht zu Ende. Im Juni 2014 antwortet Lufthansa auf eine entsprechende Anfrage, dass schon vier(!) neue A320 mit den Generatoren ausgerüstet sind und weitere sechs noch im selben Jahr dazukommen sollen. Die Umrüstung der Bestandsflotte sollte nun "voraussichtlich" im 3. Quartal 2014 beginnen. Am 3. November 2014
teilte Lufthansa mit, dass nun schon zehn Flugzeuge (neun neue und ein umgerüstetes) mit den "Generatoren" ausgerüstet sind, 257 weitere (100 neue und 157 umzurüstende) sollten folgen. "Nach derzeitigen Planungen wird die gesamte Maßnahme in etwa einem Jahr abgeschlossen sein." Angesichts des tatsächlichen technischen Aufwands, der dahintersteckt (s. Grafik links), kann man wirklich nur staunen über soviel Dreistigkeit.
Am 25.06.2015 konnte Lufthansa immerhin melden, dass die Umrüstung der ersten hundert Maschinen geschafft war. Zwei Drittel des Projekts in acht Monaten geschafft - also voll im Plan.
In der Fragerunde nach seinem Vortrag bei der ICANA 2016 kommentierte Herr Isermann vom DLR die Lobhudelei und den angeblichen Aufwand der Lufthansa für die Maßnahme mit dem Satz: "Das haben wir damals mit dem Schraubenzieher gemacht".
(Nach Angaben von Minister Al-Wazir in einer Landtagsdebatte wird das Teil im hessischen Polit-Jargon übrigens "Boddenberg-Generator" genannt - wahrscheinlich deshalb, weil dieser CDU-Abgeordnete im Landtag üblicherweise genau das produziert: wohlgeformtes Blech.)
Auch über die Wirkung gibt es neue Aussagen: "bis zu 4 Dezibel" soll es nach den beiden grade zitierten Quellen in 15-20 bzw. 10-17 km Entfernung vom Flughafen leiser werden. Uns nützt das leider nicht, denn "für Raunheim ergibt sich keine Veränderung des Lärmpegels da die Flugzeuge sich hier unmittelbar vor der Landung in einer anderen Konfiguration befinden". Das heißt: der Anflug wird leiser, nicht aber die Landung. Also auch hier wieder: nichts drin für Raunheim.
An der dritten Posse dieser Art war Lufthansa nicht direkt beteiligt. Rund um den 4.10.13 rauschten Meldungen von einem revolutionären Test durch den lokalen Blätterwald: eine Maschine der Condor flog achtmal hintereinander aus Westen kommend die Nordwestbahn an, davon sechsmal in einem Winkel von 4,5°, also deutlich steiler als üblich. Die zahlreich an Bord vorhandenen Reporter konnten aus erster Hand bestätigen, dass die Anflüge problemlos verliefen, und die frohe Botschaft verkünden, dass es, wenn das Verfahren "serienreif" sei, (schon wieder) deutlich leiser werden könne, zumindest in Mainz und Wiesbaden.
Grundsätzlich können steilere Anflüge natürlich zur Lärmminderung beitragen, zumindest in größerem Abstand vom Aufsetzpunkt, da dann länger in größeren Höhen geflogen wird und weniger Lärm unten ankommt. Der Teufel steckt aber im Detail: bei größeren Flughöhen verteilt sich der Lärm auch über eine größere Fläche, und durch die notwendigen Manöver kann es an einigen Stellen sogar lauter werden. Um also herauszufinden, was tatsächlich passiert, muss man die Lärmverteilung messen - und das ist der traurige Hintergrund der Frankfurter Show.
Denn eigentlich soll das Verfahren in einem längerfristigen Forschungsprojekt der DLR erforscht werden. Die Aktivitäten dazu sind aber seltsam bruchstückhaft, und Zusammenhänge erschliessen sich nur mühsam. So kann man bei gründlichem Lesen herausfinden, dass die DLR zusammen mit Air Berlin 2011 erste Tests in Braunschweig durchgeführt hat und mit TUIfly am Flughafen Hannover einen längeren Testbetrieb plant, aber dort gibt es bisher offenbar keine geeigneten Messstellen. Statt nun dort ein geeignetes Messfeld zu installieren, wie es in der Vergangenheit für solche Untersuchungen genutzt wurde, und damit im Dauerbetrieb realistische Messwerte zu sammeln, verfiel man auf die Idee, doch lieber ein paar wenige Flüge in Frankfurt zu veranstalten, wo ja ohnehin wenigstens ein paar Messstellen in der Nähe herumstehen - ist ja deutlich billiger, und das Forum Flughafen und Region, das diese Testflüge beauftragt (s. News vom 4.10.) und wahrscheinlich aus Steuergeldern bezahlt hat, brauchte noch ein Highlight für seine Konferenz ICANA. Die DLR hat dort Ergebnisse vorgestellt, allerdings in so allgemeiner Form, dass deren Wert kaum zu beurteilen ist. Eine erste Auswertung auf der Basis von DFLD-Daten zeigt, dass wohl auch keine schlüssigen Resultate zu erwarten sind.
Man darf gespannt sein, ob jemand Geld in die Hand nimmt, um die Lärmwirkungen dieses Verfahrens wirklich zu messen - oder ob auch hier, wie beim Startverfahren der Lufthansa, aus untauglichen Messergebnissen die gewünschten Schlussfolgerungen gezogen werden. Es gibt allerdings zwei wesentliche Unterschiede: erstens läßt sich mit dem steileren Anflug kein Geld sparen, und zweitens wird er so bald auch nicht kommen. Wie der DLR-Projektleiter lapidar bemerkt, widerspricht das Verfahren geltenden ICAO-Regeln, und "(e)ine Änderung dieser internationalen Vorgaben ist aufwendig und sehr zeitintensiv. Daher kann der 'Steeper Segmented Approach' auch bei erfolgreichem Testverlauf auf absehbare Zeit nicht im Regelbetrieb angewendet werden."
Deswegen, und wegen der seltsam segmentierten öffentlichen Darstellung, in der die jeweiligen "Partner" immer nur ihren eigenen Beitrag ("weltweit einmalig" etc.) in den Vordergrund rücken, darf man vermuten, dass auch hier die positive Botschaft ("es wird leiser !!") schon das Ziel der Übung ist. Für Raunheim ist aber auch das egal: wie man aus der Grafik ablesen kann, gibt es in dieser Entfernung keinen Höhenunterschied zwischen beiden Verfahren.
Im Herbst 2015 wurde die DLR vom Umwelthaus beauftragt, zwei von ihr entwickelte Systeme, die bei Anflügen u.a. auch zur Lärmreduzierungen führen können, am Frankfurter Flughafen zu testen. Dabei ging es einmal darum, ein Piloten-Assistenzsystem, das Hinweise zum optimalen Einsatz von Klappen und Schub beim Anflug gibt, unter Realbedingungen zu testen, zum anderen sollte geprüft werden, unter welchen Bedingungen ein gekrümmter Anflug, bei dem dicht besiedelte Gebiete umflogen werden, auch im sog. 'abhängigen Betrieb' möglich ist.
Für das erste Projekt konnte die DLR im November 2016 einen Erfolg melden. Testflüge hatten ergeben, dass Piloten mit dem System zurecht kommen und bis zu 10% Sprit einsparen. Wo genau es leiser, und ob es irgendwo ggf. auch lauter wird, war nicht so einfach herauszufinden. Aus einer Folie der Ergebnis-Präsentation läßt sich ablesen, dass die Veränderungen unterschiedlich sind - deutliche Reduktionen an Anfang und Ende des Landeanflugs, dazwischen eine Phase mit minimalen Erhöhungen. Wie immer sind aber die Meßstationen wieder mal nicht da, wo sie sein müßten, um die Unterschiede wirklich zu erfassen.
Das Ministerium kümmert sich um solche Feinheiten natürlich nicht und
vermeldet: "Der Lärm der Flugzeuge unterhalb der Anflugroute konnte um bis zu 1,5 Dezibel verringert werden. „Das ist nicht nur eine messbare, sondern auch eine hörbare Verbesserung für die Menschen, die entlang der Anflugrouten leben“, sagte Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir ...".
Das zweite Projekt ist über Simulationen noch nicht hinaus gekommen und steht vor dem Problem, dass das Verfahren nicht mit den ICAO-Standardvorgaben zur Sicherheit vereinbar ist - so daß es vermutlich auch nicht so bald einsetzbar sein wird.
Um den Grünen beim Einstieg in die schwarz-grüne Koalition wenigstens ein bißchen Gesichtswahrung zu ermöglichen, mußten in den Koalitionsvertrag ein paar Aussagen zum Schallschutz aufgenommen werden. Daher wurden aus dem Allianz-Katalog einige Maßnahmen, die weitestgehend konsensfähig waren, herausgegriffen und zu Regierungsprojekten erklärt. Eines dieser Projekte waren die 'Lärmpausen'. Im Koalitionsvertrag ist dazu energisch formuliert:
"Ziel ist es, regelmäßig zu Lärmpausen von sieben Stunden in der Nacht zu kommen. Die Koalitionspartner halten dies durch den abwechselnden Verzicht auf die Nutzung einzelner Bahnen in den genannten Zeiten für möglich und wollen dies gemeinsam mit der Fraport und der DFS so schnell wie möglich realisieren."Der Hinweis auf mögliche Änderungen von Planfeststellungsbeschluss und Betriebsgenehmigung wurde ganz schnell wieder beerdigt, und "so schnell wie möglich" wurde konkretisiert als "ein gutes Jahr" bzw. "15 Monate". Ziel ist derzeit die Einführung zum Sommerflugplan 2015. Inzwischen wurde immer mal wieder gewarnt, die Pausen würden "nicht immer und überall" (Ministerpräsident Bouffier) und "nicht dauerhaft und planbar" (Fraport-Chef Schulte) sein, aber kommen sollten sie trotzdem irgendwie.
"Für den Fall, dass dieses Ziel (siebenstündige Nutzungspausen) nicht in angemessener Zeit erreicht wird, behalten sich die Partner Initiativen für eine entsprechende Planänderung bzw. modifizierte Betriebsgenehmigung vor."
Am 12.09.14 hat Minister Al-Wazir der Öffentlichkeit fünf Modelle vorgestellt, aus denen Fluglärmkommission und Forum Flughafen und Region eines für einen einjährigen Testbetrieb aussuchen sollten. In einer Sondersitzung haben beide Gremien die Vorschläge zur Kenntnis genommen und eine sorgfältige Prüfung zugesagt, aber auch Skepsis gezeigt, denn schon die erste grobe Berechnung der Veränderung der Lärmbelastung durch das Umwelt- und Nachbarschaftshaus, die ebenfalls in der Sitzung vorgestellt wurde, zeigte, dass drei der fünf Modelle zu einer, zum Teil sehr deutlichen, Mehrbelastung der Region führen, und auch die beiden insgesamt positiven Modelle an einzelnen Orten den Lärm unzumutbar verstärken.
Ausführliche Berechnungen des Forums Flughafen und Region, die der Fluglärmkommission zur Entscheidungsfindung im Januar 2015 vorgelegt wurden, bestätigten das. Obwohl dort als Definition "rechnerischer Lärmpausen" keineswegs Ruhe vor Fluglärm, sondern nur (relativ) wenige (relativ) leise Überflüge benutzt wurden (genauer: "Wenn 6 x 58 dB (A) Maximalpegel außen in den Zeiträumen 22-5 Uhr oder 23-6 Uhr nicht erreicht werden, wird rechnerisch eine Lärmpause unterstellt."), kann keins der Modelle eine insgesamt positive Bilanz aufweisen, ohne punktuell zu erheblichen Zusatzbelastungen, insbesondere für ohnehin schon Hochbetroffene, zu führen.
Nach den Kriterien der Fluglärmkommission für die Prüfung von Lärmpausen, die die allgemeinen Kriterien für Schallschutzmaßnahmen für diesen Fall konkretisieren, war das Regierungs-Konzept der "siebenstündigen Lärmpausen" damit gestorben.
Das Bündnis der Bürgerinitiativen hatte daher die Fluglärmkommission per Flugblatt aufgefordert, "Modell 7" (die siebenstündigen "Lärmpausen") konsequent abzulehnen und sich für "Modell 8" (achtstündiges Nachtflugverbot) auszusprechen.
Die FLK ist dieser Empfehlung leider nicht gefolgt, sondern hat in einer Stellungnahme einen Probebetrieb von Modell 4, beschränkt auf Betriebsrichtung 25 (Westbetrieb) für vertretbar erklärt. Die Landesregierung hat also diese Variante ein Jahr testen lassen.
In der Abendstunde ändert sich im Westen zwar nichts, da werden lediglich alle Anflüge aus Osten auf die Südbahn gepackt, worunter Neu-Isenburg und Teile Offenbachs zu leiden haben. Morgens sieht Modell 4 allerdings vor, alle Abflüge von der Südbahn zu starten, so dass es im Raunheimer Süden (und ggf. unter der Nordabflugroute) lauter wird. Würde das im Wechsel mit Modell 5 geschehen, wäre da wenigstens auch jeden zweiten Tag Ruhe, da dann alle Abflüge über die Startbahn West rausgehen würden, aber dieser Vorschlag ist leider unter den Tisch gefallen.
Da aber weder Fraport noch Umwelthaus die Meßwerte der Station Raunheim Süd für die Bewertung der Lärmpausen heranziehen, bleibt dieser Effekt ohnehin offiziell unbemerkt.
Es gibt aber auch noch eine Gefahr, die aus dem Modell nicht deutlich wird. Sollte wegen der Lärmpausen-Regelung der Westbetrieb morgens und/oder abends zu instabil oder aufwändig werden, wenn die Zahl der Flugbewegungen vielleicht doch mal wieder steigt, könnte die DFS auf die Idee kommen, die Willkür, die in der Betriebsrichtungswahl steckt, öfter mal zu nutzen, dem Chaos zu entkommen und ganz ohne Lärmpause Betriebsrichtung 07 zu fliegen - worst case für Raunheim.
Am 04.02.15 wurde im Wirtschaftsministerium das Bündnis für Lärmpausen aus der Taufe gehoben. Festgelegt wurde der geringst-mögliche Anspruch: Lärmpausen sind unverbindlich und freiwillig, sie schaffen keinerlei rechtliche Ansprüche über den Planfeststellungsbeschluss hinaus und werden nur angewendet, wenn Aspekte der Sicherheit, der "Infrastruktur" (sprich: Kapazität) und des Wetters dem "nicht im Weg stehen". Entsprechend hoch waren die Anforderungen: der Test sollte nur dann als nicht bestanden gelten, wenn das Modell "an weniger als 50% der Tage zur Anwendung gekommen" wäre. Am 23. April hat der Test begonnen und ein Jahr gedauert.
Am 11.02.16 durfte Herr Lanz vom "Umwelt- und Nachbarschaftshaus" in Wiesbaden die Ergebnisse seines "Lärmpausen-Monitorings" präsentieren. Minister Al-Wazir feierte sie (und sich) in einer Pressemitteilung so:
"Die Lärmpausen funktionieren reibungslos, die Lärmbelastung konnte messbar gesenkt werden, und die Menschen wollen, dass wir die Lärmpausen beibehalten."Hinter den letzten beiden Aussagen steht allerdings ein dickes Fragezeichen. In einer Umfrage im Auftrag des Umwelthauses haben ca. 90% der Befragten "keine Veränderung des Alltagslebens" durch die "Lärmpausen" festgestellt, und nur 0,8% haben dadurch "Hoffnung auf Besserung". Dass trotzdem 71% die Frage bejaht haben, ob die "Lärmpausen-Maßnahme weitergeführt werden" soll, liegt wohl eher an der Höflichkeit der Antwortenden und der Meinung, es "schadet ja nichts".
Obwohl auch eine erweiterte Präsentation des Umwelthauses nicht zur Klärung dieser Widersprüche beigetragen hat, konnte Al-Wazir den ersehnten Erfolg feiern: die Fluglärmkommission hat am 09.03.16 beschlossen, die Lärmpausen aus dem (einjährigen) Probebetrieb in den Regelbetrieb zu überführen, möchte aber jedes Jahr einen Bericht über ihre Wirkungen haben. Solange solche Berichte aber nicht kritischer hinterfragt werden, wird es auch keine Konsequenzen geben.
Frühere Erfahrungen mit dem Konzept der "variierenden Bahnnutzungen" ("dedicated runway operations" oder kurz "DROps") lassen befürchten, dass die "Lärmpausen" nicht nur keinen Nutzen bringen, sondern sogar Schaden anrichten - besonders für die, die nahe am Flughafen dran sind.
Raunheim hat also allen Grund, diese "Lärmpausen" abzulehnen und bei der Forderung zu bleiben: Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr - vollständig und für alle.
Wie begrenzt man Lärm ?
Im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung, die Anfang 2014 ihr Amt antrat, ist ein weiteres Instrument des aktiven Schallschutz hervorgehoben: die Lärmobergrenze. Vollmundig heißt es dazu:
"Entsprechend der Empfehlungen der Mediation wird vereinbart, eine Lärmobergrenze für den Flughafen Frankfurt einzuführen. Ziel ist es, eine deutliche Lärmreduzierung gegenüber den im Planfeststellungbeschluss prognostizierten Werten zu erreichen."Wie diese Grenze aussehen soll, wird nicht erläutert, als Instrumente werden wieder einmal die 19 Maßnahmen der "Allianz für Lärmschutz" herunter gebetet. Immerhin ist das Ziel ein bißchen ehrlicher: nicht mehr "Es wird leiser", sondern "Es wird nicht ganz so laut wie geplant".
"Das Modell der Lärmobergrenze mit dynamisiertem Faktor sieht vor, dass für die relevant mit Fluglärm belasteten Wohngebiete Immissions-Grenzwerte festgelegt werden." Dazu ist "ein hinreichend bemessener dynamischer Faktor zu ermitteln und durch die Genehmigungsbehörde festzusetzen, der ein kontinuierliches Absenken der Grenzwerte ermöglicht."Das klingt zunächst recht positiv, wirft aber einige grundsätzliche Fragen auf, wie wir bereits vor einiger Zeit in einem Kommentar erläutert haben. Die Zeiten, in denen wünschen geholfen hat, sind aber ohnehin schon länger vorbei. Was wirklich passieren soll, legen andere fest. So teilte der "Koordinierungsrat des Forum Flughafen und Region" im November 2013 mit, dass er die Entwicklung eines Konzepts einer Lärmobergrenze beschlossen hat, das auf den Vorschlägen von DLR-Chef Wörner beruhen soll. In der Pressemitteilung dazu heißt es:
"Eine zentrale Überlegung hierbei ist, die Entwicklung des Fluglärms von der Anzahl der Flugbewegungen zu entkoppeln".Schon die Sprache ist hier verräterisch. Die simple physikalische Tatsache, dass jede Flugbewegung Lärm erzeugt, soll irgendwie weggerechnet werden, damit diese "Wörner-Grenze" nur ja kein Hindernis für das weitere Wachstum des Flughafens werden kann. Näheres dazu findet man in der Dokumentation der Vorträge und Links zu Video-Mitschnitten der FFR-Konferenz ICANA (die Folien von Herrn Wörner alleine sind schwer verständlich, man sollte zusätzlich den Video-Mitschnitt des Vortrags von Minute 6 bis 12 anhören). Über das oben Zitierte hinaus enthalten sie noch interessante Details. So ist nach Herrn Wörner der "einzig logische" Wert für die Obergrenze des Fluglärmindex der, der laut Planfeststellungsbeschluss 2020 zu erwarten wäre. (Der gleiche Herr Wörner hat im "Anti-Lärm-Pakt" des "Regionalen Dialogforums" noch lauthals eine 10%ige Absenkung dieses Wertes versprochen, aber wen kümmert das dumme Geschwätz von gestern?) Auch geht er ganz selbstverständlich davon aus, dass die Zahl der Flugbewegungen (nach 2020) auch noch weit über 700.000 hinaus wachsen kann; eine Tatsache, die die Ausbau-Lobby sonst gerne herunter spielt. Warum der Index dann trotzdem weiter sinkt, wird nicht wirklich klar, weil er keinerlei realistische Ansätze für schnelle und durchschlagende Erfolge bei der Lärmminderung "an der Quelle" benennen kann - aber das soll vermutlich auch niemand so genau wissen.
In einer Sondersitzung am 03.09.2014 musste die Fluglärmkommission ein Gutachten zur Kenntnis nehmen, das Aussagen darüber macht, ob und ggf. wie eine Lärmobergrenze am Flughafen Frankfurt rechtssicher eingeführt werden kann. Zwar hebt die FLK in ihrer Pressemitteilung positiv hervor, dass die Einführung einer solchen Grenze rechtlich möglich ist, aber die eigentliche Absicht, den Fluglärm damit deutlich zu limitieren, kann kaum erreicht werden. Herr Wörner hat dort auch nochmal einen leicht veränderten Vortrag gehalten und im Nachgang noch ein Papier geliefert, das als Konzept dienen soll für eine "realistische" Lärmobergrenze, wie oben beschrieben.
Am 15.04.2015 hat der Wirtschafts- und Verkehrs-Ausschuss des Hessischen Landtags mit schwarz-grüner Mehrheit einen Antrag beschlossen, der die Landesregierung auffordert, "bis spätestens Sommer 2016 einen Vorschlag zur Umsetzung vorzulegen". Da am 13. Juni 2016 die neue EU-Verordnung über Betriebsbeschränkungen an Flughäfen in Kraft tritt, die es deutlich schwerer macht, aus Lärmschutzgründen echte Beschränkungen einzuführen, wird schon aus dem Timing klar, dass keinesfalls geplant ist, mit der Lärmobergrenze die Zahl der Flugbewegungen zu begrenzen. Aktuell ist die offizielle Vorstellung eines Modells für eine solche Obergrenze für den 27.09.2016 geplant.
Um dieser Diskussion eine andere Richtung zu geben, hat der Sprecherkreis des BBI nach ausführlicher Diskussion in der Delegiertenversammlung im Juli 2015 ein Positionspapier zur Diskussion gestellt, das Forderungen formuliert, die tatsächlich zu einer Verbesserung der Situation führen könnten. Statt eine "Obergrenze" einzuführen, die noch wesentlich mehr Lärm zuläßt als heute, sollen Lärmminderungsziele formuliert werden, die den heute schon unhaltbaren Zustand Schritt für Schritt, aber verbindlich für alle, verbessern.
Für den DFLD hat Horst Weise einen sog. Kritischen Fluglärm-Index erarbeitet, der die gröbsten Mängel des 'Frankfurter Fluglärm-Index' beseitigen soll und eine bessere Grundlage zur Bestimmung einer Lärmobergrenze sein könnte. Die wesentlichen Kriterien sind nach seiner Aussage:
Hintergrund des Ganzen ist die Erkenntnis: Selbst eine ambitionierte Lärmobergrenze wird bei Anwendung des FFI zur Farce.
(der FFI ignoriert 91% der Betroffenen)
sowohl räumlich, d.h. jede Kommune bzw. Ortsteil wird separat ausgewiesen
als auch zeitlich, d.h. die kritischen Nachtrandstunden (5-6 und 22-23), die Tagsrandstunden (6-8 und 20-22), die Nacht (23-5) und der Tag (8-20) werden separat ausgewiesen (der FFI verschleiert alles in einer einzigen Zahl)
Die Stabsstelle Fluglärm des Frankfurter Oberbürgermeisters wollte diesen KFI im September 2016 als Grundlage für eine Lärmobergrenze am Frankfurter Flughafen einfordern, wurde aber von der Frankfurter Umweltdezernentin daran gehindert.
Diese Diskussion hat sich zunächst erübrigt, nachdem Minister Al-Wazir am 27.09.2016 das Modell der Landesregierung für eine 'Lärmobergrenze' vorgestellt hat. Darin spielen weder der FFI noch der KFI noch irgend ein anderes Maß der Belastung durch Fluglärm eine Rolle. Die vorgeschlagene Grenze begrenzt lediglich die Ausdehnung der Flächen, die von der 55 bzw. der 60 dB(A)-Isophone des Tages-Dauerschallpegels rund um den Flughafen eingeschlossen wird. Damit bleibt es sogar noch hinter dem Wörner-Vorschlag zurück, erst recht natürlich hinter den Forderungen der Fluglärmkommission oder des Bündnisses der Bürgerinitiativen.
Im April 2015 hat die Fluglärmkommission eine
Sammlung von Vorschlägen veröffentlicht, die in ein zweites Maßnahme-Paket aufgenommen werden könnten. Einen ähnlichen Versuch hatte sie 2010 schon mal unternommen, aber zur Formulierung eines Maßnahme-Pakets ist es auch damals nicht gekommen, auch wenn etliche der vorgeschlagenen Maßnahmen trotzdem weiter verfolgt wurden. Das scheint dieses Mal nicht anders zu werden.
Da aber viele der oben beschriebenen Maßnahmen noch nicht oder nicht vollständig umgesetzt sind und weiter daran gearbeitet wird, kann man hie und da auf kleine Erfolge daraus hoffen. Konsequente Maßnahmen für wirksamen Schallschutz wären allerdings nur zu erwarten, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen ändern würden.
Details zur Antragstellung für alle
Fördermaßnahmen
gibt es auf der Seite des
RP Darmstadt zu
Baulicher Schallschutz - Regionalfonds
Das zuständige Ministerium
(HMWEVL) hat eine Seite zur
Verordnung über den Lärmschutzbereich
Auch Fraport erläutert seine Sicht der Dinge unter
Das passive Schallschutzprogramm.
Kartenausschnitte Raunheim:
Tagschutzbereich, Nachtschutzbereich
und
Anspruchsbereich nach dem Regionalfondsgesetz
Für alle Ansprüche (von Privat-Personen) gilt:
Ablauf 5 Jahre nach Entstehen des Anspruchs, d.h.
für Ansprüche nach FluLärmG
12. Oktober 2016
für Grundstücke in der "inneren Nachtschutzzone"
12. Oktober 2021
für alle Anderen
für Ansprüche nach RegFondsG
31. Dezember 2017 für Alle
für Ansprüche auf Aussenwohnbereichs-Entschädigung
12. Oktober 2021 für Alle
bei der Stadt Raunheim
Herr Norbert Schütz,
Fachdienst Soziales,
Rathaus, Am Stadtzentrum 1
Zimmer 137, 1. Etage
Tel. 06142 / 402-251,
Mail n.schuetz@raunheim.de
beim RP Darmstadt
Frau Nieratzky (06151/123108)
peggy.nieratzky@rpda.hessen.de
Herr Ullmer (06151/123163)
rene.ullmer@rpda.hessen.de
Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (FluLärmG) regelt die Ansprüche, die Anwohner von Flughäfen in Deutschland an den "Schutz ... vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Fluglärm" stellen können. Es schützt damit auch den Fluglärm vor weitergehenden Ansprüchen, die sich aus medizinischen Notwendigkeiten o.ä. ergeben könnten.
Es ist ein typisch sozialdemokratisches Gesetz, von SPD-Verkehrsministern in einer SPD/Grüne-Regierung vorbereitet und unter einer CDU/SPD-Regierung verabschiedet. Gegenüber dem Vorgängergesetz wurden die Grenzwerte verschärft, dafür aber die Berechnungsverfahren so verändert, dass sich faktisch kaum Verbesserungen ergaben - es sieht eben nur besser aus.
Primär zielt das Gesetz darauf ab, störende Nutzungen von Flughäfen fern zu halten. Dazu definiert es "Lärmschutzbereiche", in denen Siedlungs- und Nutzungsbeschränkungen gelten. Die genaue Festlegung dieser Bereiche wird in der ersten Verordnung zu diesem Gesetz geregelt, der 1. FlugLSV. Soweit in diesen Zonen noch Bebauung zulässig oder schon vorhanden ist, muss sie bestimmten Schallschutz-Anforderungen genügen. Das wird in der 2. FlugLSV, der sog. Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung, festgelegt.
Deren Bestimmungen führen heute zu dem Ärger vieler AntragstellerInnen, denen Maßnahmen verweigert werden. Sie bieten nur ein Minimum an Lärmschutz, und obendrein sind die Maßnahmen, die der Verursacher - in unserem Fall also Fraport - zu finanzieren hat, gedeckelt auf eine Summe von 150 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Für die meisten Bestandsbauten reicht das natürlich nicht einmal aus, um die in der Verordnung angegebenen, ungenügenden Schalldämmwerte zu erreichen, aber das ist für den Gesetzgeber das Pech derjenigen, die da drin wohnen.
In der Praxis führt das dazu, dass für Altbauten nach diesem Gesetz gerade einmal Schallschutzfenster und die berühmt-berüchtigten Lüfter für die Schlafräume gefördert werden. Bewohner neuerer Bauten bekommen in der Regel garnichts, weil die vorgegebenen Dämmwerte schon beim Bau erreicht werden mussten.
Auch auf die Einhaltung der Fristen ist zu achten. § 9 Fluglärmgesetz sagt im allerletzten Satz (§ 9 (7) Satz 2): "Der Anspruch ... kann nur innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach Entstehung des Anspruchs geltend gemacht werden." Bisher hat es praktisch keine Rolle gespielt, aber der Zeitpunkt der Entstehung des genannten Anspruchs ist tatsächlich nicht für alle Raunheimer Hausbesitzer gleich. Denn zwar liegt ganz Raunheim in der sog. "Nachtschutzzone", aber die ist in sich nochmal in zwei Bereiche geteilt: einen inneren Bereich, in dem der (berechnete) Lärmwert zwischen 55 und 60 db(A) liegt, und einen äusseren Bereich von 50 bis 55 dB(A) (orangefarbener bzw. brauner Bereich der Karte). (Für die "Tagschutzzone" gibt es ebenfalls zwei Bereiche, aber da liegt ganz Raunheim im "äusseren Bereich" (!))
Bei Novellierung des FluLärmG wurde eine allgemein als Lex Fraport kritisierte Fristen-Regelung eingeführt, die den "weniger belasteten" Anwohnern des äusseren Bereichs erst nach sechs Jahren Schutzansprüche einräumen sollte. Das hat sich bei den Erstattungen für Schallschutzmaßnahmen nicht ausgewirkt, weil Fraport sich nach massiven Protesten nach der Eröffnung der Nordwestbahn mit der Einführung des Regionalfonds 2012 "freiwillig" verpflichten musste, die Erstattungen für alle umgehend auszuzahlen.
Für die Ablauf-Fristen bleibt aber der gesetzlich festgelegte Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs relevant, und das ist für die Bewohner der orange-farbenen inneren Nachtschutzzone der 12. Oktober 2016, denn am 13. Oktober 2011 trat die Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Frankfurt Main in Kraft, die diese Zone definiert hat. Für alle Anderen läuft die Frist erst fünf Jahre später ab. Will man allerdings zusätzlich Mittel aus dem Regionalfonds in Anspruch nehmen, muss man beachten, dass deren Frist früher abläuft (siehe unten).
Um die Empörung über den unzureichenden Lärmschutz rund um den Frankfurter Flughafen etwas zu dämpfen, hat die hessische Landesregierung 2012 das sog. Regionalfonds-Gesetz auf den Weg gebracht. In diesem Regionalfonds stehen zusätzlich ca. 120 Mill. Euro für Lärmschutzmaßnahmen und "nachhaltige Regionalentwicklung" zur Verfügung, davon 100 Mill. aus Steuergeldern. Zusätzlich werden noch 150 Mill. Euro für zinsgünstige Kredite bereitgestellt. Über Umfang und Verteilung der Mittel wurde im "Forum Flughafen und Region" längere Zeit gefeilscht, das Ergebnis wird dort unter
Kriterienkatalog Regionalfonds beschrieben.
Im Ergebnis werden in einem eigens definierten "Anspruchsgebiet" ca. 17.300 Haushalte mit max. 4.350 Euro pro Wohneinheit gefördert. Die Kriterien, was gefördert werden kann, sind flexibler, allerdings besteht auch kein Rechtsanspruch auf diese Förderung. Gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums gibt es im Falle der Ablehnung nur die Möglichkeit eines Einspruchs bei einer sog. "Härtefall-Kommission" - und wenn das Geld verbraucht ist, gibt es ebenfalls keinen Anspruch mehr. Es lohnt sich also, den Antrag bald zu stellen.
Um die Mittel in Anspruch nehmen zu können, muss man vorher die Ansprüche nach FluLärmG geltend gemacht haben. Endgültiges Ende der Antragsfrist ist fünf Jahre nach Inkrafttreten der
Förderrichtlinie, also am 31.12.2017.
Am 20.08.13 hat die Bundesregierung die Dritte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm mit dem schönen Namen "Fluglärm-Außenwohnbereichsentschädigungs-Verordnung - 3. FlugLSV" beschlossen.
Danach können Besitzer von sog. "Aussenwohnbereichen", d.h. Balkonen, Terassen etc., in der Tagschutzzone 1 eine Einmalzahlung erhalten dafür, dass sie dauerhaft den Fluglärm ertragen müssen. Die Pauschalen, die der Flughafenbetreiber zahlen soll, sind in §5 festgelegt, dazu gibt es noch Ausnahmeregelungen. So können Besitzer hochwertiger Häuser oder Wohnungen statt der Pauschalen einen prozentualen Anteil am Verkehrswert geltend machen, und der Betrag kann durchaus höher sein - frei nach dem christlich-liberalen Motto: Wer viel hat, dem wird auch mehr gegeben.
Wer den Verkehrswert einer Raunheimer Immobilie offiziell bestimmen lassen möchte, muss sich an den "Gutachterausschuss für Immobilienwerte für den Bereich des Landkreises Groß-Gerau" beim "Amt für Bodenmanagement" in Heppenheim wenden
(Kontakt und Preisliste). Der gleiche Ausschuss kann den Verkehrswert auch schätzen mithilfe einer Software, die mit aktuellen Vergleichswerten gefüttert wurde. Diese Schätzwerte können vom "wahren" Wert in beiden Richtungen abweichen, werden aber ebenfalls anerkannt und haben den Vorteil, kostenlos erstellt zu werden. Die Kosten für ein vollständiges Gutachten müssen von Fraport nur übernommen werden, wenn sich daraus tatsächlich ein höherer Entschädigungswert ergibt als der Betrag der entsprechenden Pauschale. Dieses Verfahren ist im Gesetz nicht vorgesehen, wurde erst im letzten Jahr eingeführt und in einem Vortrag in einer Sitzung der Fluglärmkommission erläutert.
Hier kann man sich aber Zeit lassen - der Rechtsanspruch entsteht erst ab Oktober 2016 und erlischt erst fünf Jahre später. Stellen kann man den Antrag jetzt trotzdem schon.
Im Dezember 2015 hat das RP Darmstadt eine neue Info-Broschüre veröffentlicht, die auf 20 Seiten noch einmal aktuell alle wesentlichen Punkte, die auch oben beschrieben wurden, zusammenfasst.