Hier veröffentlichen wir Beiträge zu aktuellen Themen, in der Reihenfolge des Bekanntwerdens. Um aber Themen, die über eine gewisse Zeit aktuell sind,
nicht immer wieder neu aufgreifen zu müssen, wenn es eine Veränderung gibt, ist der Aktualisierungsstand gekennzeichnet.
Neue Beiträge sind durch einen springenden Punkt gekennzeichnet.
Beiträge, die etwas älter sind, aber bei Veränderungen noch aktualisiert werden, haben einen ruhenden Punkt.
Beiträge ohne Punkt sind abgeschlossen und werden nicht mehr verändert (auch Links werden nicht mehr aktualisiert).
Beiträge aus vorangegangenen Jahren befinden sich im Archiv.
Das Titelblatt des Machwerks
(Bei der Übertragung ist eine Ziffer verloren gegangen,
aber so wird es dem Inhalt eher gerecht.)
28.04.2022
Wäre es ein
Theaterstück,
würden die Akteure wohl mit einem Pfeifkonzert von der Bühne gejagt werden. Zwar sind definitionsgemäß "unwahrscheinliche oder extravagante ... Situationen, Verkleidungen und Verwechslungen", mitunter auch "sprachlicher Humor inklusive Wortspielen" und vor allem "bewusste Absurdität oder Unsinn" durchaus vorhanden, aber es fehlt die "überraschende Wendung", die die Lösung bringt, und von "Happy End" kann ganz und gar nicht die Rede sein.
Wie wir aber bereits im Sommer letzten Jahres in
einem Beitrag anlässlich der "Öffentlichkeitsbeteiligung" zu diesem Plan erläutert haben, ist es eine Farce in der
metaphorischen Bedeutung dieses Wortes: eine "lächerliche Sache oder Szene, Unsinn, ein durch unangemessene Herangehensweise verfehlter, abgewerteter oder auch abwertender Vorgang".
Seit dem 11. April 2022 gibt es nun also einen neuen Lärmaktionsplan für den Flughafen Frankfurt, basierend auf den Lärmdaten des Jahres 2017. (Da der Plan nach EU-Vorgabe alle fünf Jahre erstellt werden muss, können die Verfasser*innen also gleich weitermachen und die Daten 2022 zusammenstellen, die dann so etwa im Jahr 2028 in einen neuen Plan einfliessen können.)
Gegenüber dem Entwurf hat die endgültige Fassung 29 Seiten mehr, die gebraucht werden, um zu begründen, warum die Vorschläge der Öffentlichkeit zum Lärmschutz nicht umgesetzt werden können, bzw. an wen sie für diese Begründung überwiesen wurden. Wesentlich Neues ist nicht zu finden.
Wie das RP mit Einwendungen von Betroffenen umgeht, wird exemplarisch in folgendem Absatz deutlich:
Dass eine mittlere Verwaltungsbehörde, deren gesetzlicher Auftrag hier darin besteht, "den Umgebungslärm so weit erforderlich und insbesondere in Fällen, in denen das Ausmaß der Belastung gesundheitsschädliche Auswirkungen haben kann, zu verhindern und zu mindern" (Art.1 Abs. 1 c der
EU-Umgebungslärmrichtlinie), sich traut, in so dreister Weise die Profitinteressen des Flughafenbetreibers zum "öffentlichen Interesse" zu erklären und die Gesundheitsgefahren für die Anwohner vom Tisch zu wischen, hat Züge von obrigkeitsstaatlichem Größenwahn.
Andererseits wird eine Art von
schwarzem Humor deutlich, wenn es nur eine Seite weiter heisst: "Der Lärmaktionsplan setzt keinen Rahmen für die Entscheidung über die Zulässigkeit von (anderen) Vorhaben und auch die enthaltenen Maßnahmen und Festlegungen haben voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen" - insbesondere nicht auf den Umgebungslärm, der vom Flughafen ausgeht und mit dem Plan eigentlich reduziert werden sollte.
Das öffentliche Echo auf diesen Plan blieb verdientermaßen minimal. Lediglich die Frankfurter Rundschau
berichtete unmittelbar nach Veröffentlichung, konzentrierte sich dabei aber auf die Ablehnung einer Ausweitung der bestehenden Nachtflugbeschränkungen. Wohl deshalb wurde acht Tage später nochmal ein Artikel
nachgeschoben, der zwar grottenschlecht ist, aber zumindest in der Überschrift nach positiver Aktion klingt: "Kritischer Wert am Flughafen Frankfurt vereinzelt überschritten: Neuer Aktionsplan gilt".
Das erweckt zumindest den Anschein, als sollten mit dem Plan vorhandene Mißstände abgestellt werden. Aber welche Mißstände? Die erwähnten Überschreitungen sollen "in Frankfurt und Kelsterbach" auftreten. Als Raunheimer wundert man sich da natürlich. Was haben die, was wir nicht haben? Müssen wir neidisch werden?
Bei dem "kritischen Wert", um den es hier geht, handelt es sich um eine Empfehlung des Umweltbundesamtes aus einem
Konzept für einen "umweltschonenden Luftverkehr", dessen Kurzfassung wir schon bei Erscheinen vor über zwei Jahren
kritisiert hatten. Im Abschnitt 5.3.1 'Lärmkontingentierung' (S. 115) wird dort unter Bezug auf die wesentlich strengeren
Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO ein zaghafter erster Schritt gefordert: es soll "die Einhaltung eines maximalen LAeq, Tag von 63 dB(A) bis 2030 sichergestellt werden, um gravierende gesundheitliche Auswirkungen zu vermeiden".
Die Lärmaktionsplanung befürwortet dieses Ziel, denn es "war im Jahr mit den bisher höchsten Verkehrszahlen 2019 am Flughafen Frankfurt Main bereits weitgehend eingehalten, die Zahl von betroffener Wohnbevölkerung bei einem LAeq, 6-22 von mindestens 63 dB(A) lag ... bei unter 50 Personen" (S. 63). Auf S. 66 heisst es dann "28 Personen waren im Jahr 2019 von LAeq,T Pegelwerten größer gleich 63 dB(A) betroffen." Den nachfolgenden Tabellen kann man dann aber entnehmen, dass in Frankfurt 6 Wohnungen mit 13 Bewohnern und in Kelsterbach 22 Wohnungen mit 46 Bewohnern in Pegelbereichen über 65 dB(A) liegen.
Abgesehen von den widersprüchlichen Details handelt es sich hier um eine Empfehlung, die unmittelbar rein garnichts bewirkt und auch niemanden zu etwas verpflichtet, denn die vom UBA entwickelten Lärmkontigentierungsmodelle fallen in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, der keinerlei Ambitionen in dieser Richtung hat.
Zur qualitativen Einordnung dieser Empfehlung kann man die Tatsache heranziehen, dass ein Durchschnittswert von 63 dB(A) in Raunheim bisher nur im
Horrormonat April 2019 erreicht wurde, als zu 70% Betriebsrichtung 07 geflogen wurde (was wir in diesem Jahr auch wieder erreichen werden, aber bei immer noch weniger Flugbewegungen und daher niedrigerem Monatspegel).
Werte über 60 dB(A) wurden auch sonst praktisch nur an der Meßstation in Raunheim erreicht. Da könnten die Flugbewegungen also durchaus noch kräftig steigen, bevor diese "Begrenzung" wirklich greift. Die WHO empfiehlt im übrigen einen Wert von 45 dB(A) tagsüber und 40 dB(A) nachts. Diese Werte werden allerdings praktisch im gesamten Rhein-Main-Gebiet überschritten.
Man könnte die Liste von Widersprüchen, Absurditäten und Unverschämtheiten weiter fortführen, aber es wird auch so deutlich: dieser "Lärmaktionsplan" ist nicht dafür da, die Situation der Flughafen-Anwohner in irgendeiner Weise zu verbessern. Er ist einerseits eine Pflichtübung, die dazu dient, EU-Vorgaben formal zu erfüllen, aber alle Schlupflöcher nutzt, um die eigentlich intendierten Ziele nicht angehen zu müssen. Er ist andererseits eine Alibi-Veranstaltung, die den Betroffenen, deren Gesundheit durch den Flugbetrieb gefährdet ist, Aktivitäten vorgaukeln soll, ohne auch nur das Geringste zu bewirken.
Positiv kann man bestenfalls vermerken, dass er eine Fleißarbeit ist, die nahezu alles zusammenträgt, was aktuell an offiziellen Regelungen, Planungen und Bewertungen zum Thema Fluglärm vorhanden ist. Stünde auf dem Titelblatt "Übersicht über die aktuelle Fluglärm-Politik von Bundes- und Landes-Regierung am Flughafen Frankfurt" oder etwas ähnliches, könnte man damit leben.
So aber ist es ein Dokument der politischen Heuchelei der hessischen Landesregierung, die vorgibt, die Anwohner vor Fluglärm zu schützen, während sie tatsächlich alle einschränkenden Auflagen für die Luftverkehrswirtschaft vermeidet. Von dieser ist aber keinerlei Zurückhaltung zu erwarten. Ohne klare ordnungsrechtliche Vorgaben wird sie versuchen, den Luftverkehr ohne Rücksicht auf Belange der Gesundheit oder des Schutzes von Umwelt und Klima weiter auszudehnen. Ein wirksamer Lärmaktionsplan kann daher nur von den Betroffenen selbst aufgestellt und umgesetzt werden, und die Aktionen werden auf der Straße, am Flughafen und überall dort stattfinden müssen, wo politischer Druck dafür erzeugt werden kann, dass am Tag weniger und in der Nacht garnicht geflogen wird.
Entfernungen und Windverhältnisse sprechen eindeutig für einen Wirbelschleppen-Schaden ...
(Für grössere Darstellung Grafik anklicken.)
... und das Ergebnis ist ebenfalls typisch: ein Loch im Dach und die Trümmer der Dacheindeckung
in der Umgebung verteilt.
12.04.2022
Während man anderswo gerade erst beginnt, Erfahrungen mit Wirbelschleppen-Schäden zu sammeln, gibt es in Raunheim einen neuen Fall an einer Stelle, wo man bereits reichlich Erfahrung damit hat. Am Werkstatt-Gebäude des Autohaus Hempel in der Karlstraße wurden am Sonntag, den 03. April, bereits zum vierten Mal Platten vom Dach gerissen.
Die Bedingungen waren passend für Wirbelschleppen-Schäden, wie man den ganzen Tag über immer wieder hören konnte. Das charakteristische Geräusch kurz nach einem Überflug ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Wirbelschleppen regelmäßig bis in Bodennähe absinken und dort im günstigsten Fall nur die Blätter zum Rauschen bringen, aber eben auch Schäden anrichten können.
Bei Windstärken etwas über 5 Knoten, einer Überflughöhe von knapp 300 Metern über Grund und 300 m seitlichem Abstand von der Anfluggrundlinie zur Südbahn können Wirbelschleppen das Firmengelände praktisch in voller Stärke erreichen. Der Wind kam zwar überwiegend aus nördlichen Richtungen, schwankte aber bereits stark, eher er zwei Stunden später endgültig auf südwestliche Richtungen drehte. Es war wohl einfach Pech, das gerade im falschen Moment die Bedingungen vorlagen, die die Wirbelschleppe zum Werkstatt-Dach trugen.
Da Zeugen, die mit Wirbelschleppen vertraut sind, den Vorfall direkt beobachten konnten und auch die genaue Uhrzeit notiert haben, ist der Fall relativ einfach zu rekonstruieren. Das verantwortliche Flugzeug war ein A320 der Lufthansa, dessen Überflug um 15:43:06 Uhr an der Lärmmeßstation Raunheim-Süd registriert wurde. Wegen der kurzen Entfernung konnten die Zeugen das Wirken der Wirbelschleppe noch in derselben Minute beobachten.
Dieser Flugzeugtyp ist nicht für besonders starke Wirbelschleppen bekannt, und die konkrete Maschine war auch mit sog. "Sharklets" ausgestattet. Das ist eine Airbus-spezifische Form der hochgeklappten Flügelspitzen, die den Luftwiderstand, der durch die Bildung der Wirbelschleppen für das Flugzeug entsteht, reduzieren sollen (sie sollen das Flugzeug auch leiser machen, aber das erkennt man im Lärmdiagramm auch nicht).
Es bestätigt sich hier die Erfahrung aus vielen anderen Fällen, wonach es keine Flugzeuge braucht, die vom Typ "Heavy" sind oder zu tief fliegen, um solche Schäden anzurichten. Bei ungünstigen Bedingungen kommt praktisch jeder normale Jet als Verursacher in Frage.
Fraport interessiert sich für solche Details allerdings überhaupt nicht. Ihr Gutachter wusste schon mit Blick auf das Loch im Dach und die herumliegenden Trümmerteile, dass
Fraport wohl nicht zahlen will, und kurz danach erhielten die Geschädigten auch
den ablehnenden Bescheid. Darin werden Ausführungen des Gutachters zum baulichen Zustand des Daches beschrieben, die dieser schon anläßlich der Fälle 2014 und 2020 gemacht habe, um daraus ohne jeden Zusammenhang zu schließen, die "gemeldeten Schäden sind aus technisch-sachverständiger Sicht nicht auf eine wirbelschleppenbedingte Windböe, verursacht durch ein im Landeanflug befindliches Luftfahrzeug auf den Flughafen Frankfurt-Rhein-Main, zurückzuführen".
Fraport vermischt hier Dinge, die nicht zusammen gehören, in der Hoffnung, dass die resultierende Argumentation für nicht mit der Materie Befasste doch noch irgendwie einleuchtend erscheint. Fakt ist aber, dass der Anspruch auf Schadensregulierung nichts mit der Qualität des geschädigten Dachs zu tun hat.
Dieser Anspruch beruht auf einer Nebenbestimmung des Planfeststellungsbeschlusses von 2007. Dort heisst es: "Die Vorhabensträgerin wird verpflichtet, nachweislich durch eine Wirbelschleppe eines auf dem Flughafen Frankfurt Main landenden oder startenden Luftfahrzeugs verursachte Schäden auf ihre Kosten zu beseitigen oder die angemessenen Kosten der Schadensbeseitigung zu erstatten." Hier ist nicht die Rede von irgendwelchen Qualitätsstandards, es geht nicht einmal nur um Dächer - Fraport muss alle Wirbelschleppen-bedingten Schäden ersetzen. Im Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu den Klageverfahren gegen den PFB von 2009 heisst es weiterhin: "Diese Nebenbestimmung hat der Beklagte durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung dahingehend abgeändert, dass nunmehr die Beigeladene nachzuweisen hat, dass bei Schadenseintritt die Voraussetzungen dieser Verpflichtung nicht erfüllt sind", oder im Klartext: der Minister verpflichtet Fraport, zu beweisen, dass aufgetretene Schäden nicht durch Wirbelschleppen verursacht worden sind, wenn sie nicht zahlen wollen. Einen solchen Beweis aber gibt es nicht und kann es im vorliegenden Fall auch nicht geben.
Qualitätsstandards für Dächer gibt es nur
in den Planergänzungen von 2013 und 2014, die die vorbeugende Dachsicherung gegen Wirbelschleppenschäden regeln. Aber darum geht es hier, zumindest im ersten Schritt, nicht.
Dieser Fall ist ein weiteres krasses Beispiel dafür, mit welcher Willkür Fraport die Schäden, die der Flugbetrieb der Bevölkerung im Umland des Flughafens auferlegt, ignoriert, leugnet oder übergeht und dabei auch geltendes Recht bricht. Eine funktionierende Rechtsaufsicht, die solches Verhalten unterbinden müsste, gibt es offensichtlich nicht.
Es wäre allerhöchste Zeit, dass das zuständige Wirtschaftsministerium durch gerichtliche Entscheidungen und öffentlichen Druck dazu gezwungen wird, seine Haltung zu korrigieren, den Geschädigten zu ihrem Recht zu verhelfen und das Verfahren zur Regelung solcher Schäden der Fraport zu entziehen und in unabhängigere Hände zu legen.
21.02.2022
Am 13.02.
meldete das 'Redaktionsnetzwerk Deutschland': "Landeanflug auf BER: Flugzeug reißt Ziegel vom Dach – Frau beinahe erschlagen".
Im Folgenden heisst es noch zweimal, das Flugzeug sei "vermutlich zu tief geflogen", obwohl am Ende des Artikel die Deutsche Flugsicherung zitiert wird mit der Aussage: "Es gab keinerlei Auffälligkeiten hinsichtlich Flugspur und -höhe, beide waren korrekt und normal. Die Maschine ist exakt denselben Anflugwinkel geflogen wie alle anderen Maschinen auch", und die DFS weiss auch, "bei Schäden dieser Art handle es sich um Wirbelschleppenschäden".
Ein Flughafensprecher, der vorher noch mit der Aussage zitiert wird, "So etwas darf nicht passieren. Für so etwas gibt es Richtlinien, und das passiert auch nicht, wenn man die Richtlinien einhält", meint dazu, dabei "handle es sich um absolute Einzelfälle".
Nun gehören Verlogenheit und Verantwortungslosigkeit anscheinend zur Grundqualifikation eines jeden Flughafenbetreibers hierzulande, aber von einem 'Netzwerk für Qualitätsjournalismus' sollte man schon ein bisschen mehr Überblick und Einordnung erwarten können.
Natürlich hat die DFS völlig recht, dass es keinen besonderen Tiefflug braucht, um in Waltersdorf oder an ähnlich gelegenen Orten einen Wirbelschleppen-Schaden zu verursachen. Die planmäßige Flughöhe entlang des Ortes beträgt um die 150 Meter, und der Großteil der ziegelgedeckten Häuser ist nur wenige hundert Meter von der Anfluggrundlinie entfernt - da ist es nur eine Frage der Zeit, bis geeignete Windbedingungen eine Wirbelschleppe so übers Ort tragen, dass sie Schaden anrichtet. Da die neuere Südbahn des BER noch nicht allzu lange in Betrieb ist (seit 04.11.2020) und der Flugverkehr auch dort bisher Pandemie-bedingt deutlich reduziert war, hat es eben bis jetzt gedauert, bis ein drastisch sichtbarer Schaden entstanden ist.
Natürlich ist jeder Schaden ein Einzelfall, aber die von Flughafenbetreibern ständig wiederholte Behauptung, dass es sich dabei um extrem seltene Ereignisse handele, ist trotzdem eine Lüge. Die grundlegenden Fakten zu diesem Risiko sind
seit Jahrzehnten bekannt, und es ist ein Skandal, dass bis heute bei Flughafen-Neubauten oder -Erweiterungen Vorsorge dagegen erst dann getroffen wird, wenn die Schäden sich häufen und die Betroffenen aufschreien.
Hier ist der Gesetzgeber gefordert, endlich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in den Risikogebieten, die es an praktisch allen deutschen Flughäfen gibt, Vorsorgemaßnahmen ähnlich dem Dachklammerungs-Programm in Raunheim und Flörsheim auf Kosten der Flughafenbetreiber, aber
nicht in deren Regie
durchgeführt werden. Das ist zwar nur ein unzureichender erster Schritt, aber er könnte Leben retten. Schließlich ist nicht garantiert, dass auch künftig die Ziegel immer knapp daneben oder kurz vorher oder nachher dahin fallen, wo Menschen unterwegs sind - die
Liste der kritischen Fälle ist schon rund um FRA lang genug.
Dafür reicht es allerdings nicht, wenn der Besitzer des betroffenen Hauses in einem (leider schon nicht mehr verfügbaren) rbb-Video fordert, dass "gegen diesen Vorgang Maßnahmen eingeleitet werden, damit die Bürger geschützt werden". Notwendig wäre, überall rund um die Flughäfen ein Bewußtsein für die potentiellen Gefahren zu schaffen (und gerade rund um den BER gibt es noch eine ganze Reihe bewohnter Gebiete, die betroffen sein könnten). Eine bessere Vernetzung der BIs, die sich gegen die von Flughäfen verursachten Schäden wehren, könnte dazu beitragen, dass es nicht überall wie um FRA mehr als hundert Schadensfälle braucht, bis Maßnahmen dagegen getroffen werden.
Beim passiven Schallschutz konnten die BIs rund um den BER
einiges durchsetzen, worauf wir in Rhein-Main immer noch warten. Vielleicht könnte es ja auch beim Schutz vor Wirbelschleppen bessere Lösungen geben, die dann anderswo als Vorbild dienen könnten. Bedarf dafür gibt es genug.
20.02.2022
Wer sich gegen die Belastungen durch Fluglärm, Schadstoff-Emissionen von Flugzeugen und Klimaschäden wehren will, muss sich zwangsläufig auch mit den gesetzlichen Regelungen dafür auseinandersetzen - und mit denen, die sie beeinflussen können.
Nun sind einzelne, speziell neu gewählte Abgeordnete nicht verantwortlich für den Wust an unzureichenden Gesetzen, den es gibt, und sie haben auch nur begrenzte bis keine Möglichkeiten, daran etwas zu ändern. Dennoch macht es durchaus Sinn, mit denen, die bereit sind, zuzuhören, in Kontakt zu treten, die eigenen Argumente und Forderungen vorzutragen und zu hören, welche politischen Widerstände ihnen im Parlament entgegenstehen.
Wir waren deshalb hoch erfreut, dass die direkt gewählte Abgeordnete des Kreises Gross-Gerau,
Frau Melanie Wegling (SPD), auf eine Mail unserer BI, mit der wir als Mitglied des Netzwerks "Stay Grounded" die Forderungen der Kampagne
#Greenwashing stoppen - Flugverkehr jetzt reduzieren! an lokale Politiker*innen weitergeleitet hatten, (als Einzige!) geantwortet und ein Gespräch angeboten hat.
Dieses Gespräch hat am 11.02. Pandemie-bedingt in Form einer Video-Konferenz stattgefunden. Themen waren 'Klimawirkungen des Luftverkehrs', 'Fluglärm' und 'Belastung durch Ultrafeinstaub', und es gibt auch eine gemeinsam abgestimmte
Erklärung dazu, denn im Gegensatz zu den Lobbyisten der Luftfahrtindustrie und anderer Branchen halten wir nichts von Hinterzimmer-Treffen und "vertraulichen Gesprächen", in denen Deals ausgehandelt werden, die den Beteiligten nützen und anderen schaden.
Was sich daraus ergibt, wird sich zeigen. Wer diesen Kontakt ebenfalls nutzen möchte: Frau Wegling unterhält in Gross-Gerau ein
Wahlkreisbüro, wo sich Frau Eckert und Herr Schollmeier um die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger kümmern.
Auch in der letzten Legislaturperiode gab es schon Kontakte in den Bundestag. Da saß
Jörg Cezanne aus Mörfelden-Walldorf für DIE LINKE im Verkehrsausschuss und in eben jenem parteiübergreifenden 'Arbeitskreis Fluglärm', den Frau Wegling wiederbeleben will. Auch zu
Sabine Leidig, LINKE aus Kassel und verkehrspolitische Sprecherin, gab es vereinzelt Kontakt. Beide sind nicht mehr im Bundestag, aber
Janine Wissler hat das
Wahlkreisbüro von Jörg Cezanne in Gross-Gerau übernommen und bereits zugesichert, dass die Kontakte weitergehen sollen.
Da aber die Linke als Oppositionspartei wenig Einfluss auf das Geschehen im Parlament hatte und heute, deutlich geschrumpft, noch weniger hat, ist daraus auch weiterhin bestenfalls die eine oder andere nützliche Information zu erwarten. Auch der 'Arbeitskreis Fluglärm' war in der Form, wie er in der letzten Periode gearbeitet hat, weitestgehend bedeutungslos. Wenn sich das ändern soll, müsste er sich deutlich anders aufstellen.
Themen, die zu bearbeiten sind, gibt es mehr als genug, allen voran natürlich die bisher noch völlig unzureichenden Vorhaben der Ampel beim Klimaschutz. Aber auch beim Fluglärmschutz und beim Kampf gegen die Luftverschmutzung wären (kleine) Fortschritte denkbar, wenn die Empfehlungen der zuständigen Fachbehörden endlich, anders als bei der GroKo, ernst genommen würden.
Insbesondere beim Fluglärmschutz müssten die
dürftigen Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag mindestens ersetzt werden durch einen Bezug auf eine
realistische Analyse des Umweltbundesamt und den
Instrumentenkoffer, den die ADF zusammengestellt hat. Und bei der Grenzwertsetzung für Luftschadstoffe und dem notwendigen Ausbau der Überwachungssysteme müssten mindestens die
Empfehlungen der WHO zugrunde gelegt werden, die bisher noch nirgendwo (ausser natürlich bei Fachbehörden wie
dem UBA)
erwähnt sind.
Aber auch hier gilt natürlich: Politiker*innen die Forderungen zu erläutern ist das eine. "Der Politik" deutlich zu machen, dass viele diese Forderungen umgesetzt haben wollen, ist das wesentlich wichtigere, damit diejenigen, die das umsetzen wollen, überhaupt erst die Möglichkeit dafür bekommen. Anders gesagt: eine gute, öffentlichkeits-wirksame Aktion ist mehr wert als ein Dutzend Gespräche.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte - und wenn man die richtigen Bilder wählt, kann man auch zu vernünftigen Aussagen kommen.
06.02.2022
Am 13. Januar dieses Jahres hat das 'Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geowissenschaften' (HLNUG) den
4. Bericht "zur Untersuchung der regionalen Luftqualität auf ultrafeine Partikel im Bereich des Flughafens Frankfurt" veröffentlicht - laut
Pressemitteilung mit der Kernaussage "Bei Wind aus Richtung Frankfurter Flughafen steigt die Konzentration ultrafeiner Partikel in der Luft stark an". Es handele sich um eine " Gesamtauswertung", für die "alle bisherigen Messreihen zu ultrafeinen Partikeln (UFP) seit 2017 zusammengefasst" wurden.
Sind damit alle offenen Fragen bezüglich der Ausbreitung ultrafeiner Partikel aus dem Flugbetrieb in der Region, und im Umfeld von Flughäfen allgemein, geklärt? Leider nein. Der Bericht präsentiert weder Meßergebnisse, aus denen neue Erkenntnisse abzuleiten wären, noch halten die vorgelegten Auswertungen einiger weniger ausgewählter Daten einer wissenschaftlichen Überprüfung stand.
Tatsächlich wäre dieser Anspruch ohnehin zu hoch, denn der Bericht präsentiert nur mehr oder weniger plausible Überlegungen, aber keinerlei statistische Auswertungen, die über einfache Aufsummierung und Mittelwertbildung hinaus gingen. Etliche der vorgetragenen Aussagen bestehen aber auch eine Plausibilitätsprüfung nicht.
Kernproblem ist allerdings, dass garnicht mehr versucht wird, die Ausbreitung der ultrafeinen Partikel aus den möglichen Quellen zu diskutieren und die gewählten Annahmen zu begründen. Vielmehr wird als Ergebnis vorhergehender Berichte festgestellt: "Die Emissionen aus Triebwerken erzeugen sehr viele sehr kleine Partikel (< 30 nm). Diese führen im Umfeld des Flughafens zu Zeiten mit Flugbetrieb und bei Wind aus Richtung Flughafen zu einer deutlichen Erhöhung der UFP-Konzentration. Hierbei wurden Emissionen auf dem Flughafengelände und in unmittelbarer Umgebung des Flughafens als dominante Quelle für UFP identifiziert".
Daraus wird dann ohne weitere kritische Betrachtung: "Den Emissionen aus dem Flugbetrieb und den damit assoziierten Prozessen können an unterschiedlichen Messstellen jeweils sehr ähnliche charakteristische Merkmale zugeordnet werden. Neben der deutlichen Windrichtungsabhängigkeit, die sich ausschließlich zu Zeiten des Flugbetriebs einstellt, ist vor allem die typische Partikelanzahl-Größenverteilung mit ausgeprägtem Maximum für Partikel kleiner als 30 nm kennzeichnend. Dieser charakteristische „Fingerabdruck“ konnte bislang an allen HLNUG-Messstellen mit größenaufgelösten UFP-Messungen eindeutig nachgewiesen werden."
Kurz zusammengefasst: Die Emissionen auf dem Flughafengelände haben einen einfach nachweisbaren "Fingerabdruck", und wo der gemessen werden kann, ist auch der Einfluss des Flugbetriebs bewiesen. Und das ist sogar an einem durchgehend regnerischen Tag in 14 km Entfernung vom Flughafen kein Problem.
Die Emissionen kommen dabei nicht nur von den startenden und landenden Fliegern, sondern auch aus "mit dem Flugbetrieb assoziierten Prozessen" die dazu führen, dass die Partikel-Konzentrationen nach Ende des Flugbetriebs nur "langsam abklingen". Was das sein soll, wird nicht erläutert. Soll man wirklich davon ausgehen, dass am Tag vor Heiligabend nach 23:00 Uhr noch in großem Stil Triebwerksprobeläufe stattfinden, oder ist der Bodenverkehr da soviel emissions-intensiver als der Straßenverkehr in der Hauptverkehrszeit?
Der Bericht ist voll von derartigen unsinnigen Aussagen und anderen wilden Spekulationen. Um diesen Beitrag nicht mit technischen Details zu überfrachten, haben wir die Kritik zu den einzelnen Aussagen in einem eigenen Beitrag zusammengefasst (als Webseite oder PDF-Dokument). Daraus wird deutlich, dass dieser Bericht im Gegensatz zu den ersten beiden, die über weite Strecken überwiegend seriös argumentiert haben, ein ganz anderes Niveau hat. Hier findet sich keine einzige fundierte Auswertung, und die Qualität der Argumentation reicht von oberflächlich bis absurd.
Eine mögliche Erklärung für diese seltsame Veränderung findet sich in einem Satz im abschliessenden Kapitel "Ausblick": "Aufbauend auf den Ergebnissen des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) führt das Forum Flughafen und Region (FFR) eine umfassende Untersuchung der Belastung durch UFP und deren potenziell gesundheitlicher Wirkung in der Rhein-Main-Region durch". Auch das Konzept dieser Untersuchung
wirft Fragen auf und weckt den Verdacht, dass es nicht um Erkenntnisgewinn, sondern um die Verhinderung unliebsamer Schlussfolgerungen geht. Wäre es anders, würde man aus den bisherigen, gescheiterten Projekten
entsprechende Schlussfolgerungen ziehen, aber genau das vermeidet dieser HLNUG-Bericht sehr konsequent.
Handelt es sich also um eine Auftragsarbeit, die helfen soll, das angekündigte Projekt in ungefährliche Bahnen zu lenken? Dagegen spricht, dass sich wohl niemand mit halbwegs wissenschaftlichem Anspruch auf so dünnes Eis begeben und eine Studie auf derart schwache Ergebnisse stützen würde.
Wahrscheinlicher erscheint da schon, dass es darum geht, möglichst wenig deutlich werden zu lassen, dass mit dem Meßprogramm der vergangenen zwei Jahre ziemlich viel Geld in den Sand gesetzt wurde und der Nachweis, dass die UFP-Emissionen hauptsächlich vom Flughafengelände ausgehen, nicht nur wegen der Pandemie-bedingten Reduzierungen im Flugverkehr nicht erbracht werden konnte. Man behauptet einfach das Gegenteil und hofft, dass in ein paar Jahren niemand mehr darüber redet.
Wenn es so wäre, sollte das HLNUG diesen Bericht umgehend zurückziehen. Es ist keine Schande, eine Hypothese aufzustellen und dann festzustellen, dass sie falsch ist. Auch das trägt zum Erkenntnisfortschritt bei. Aber es ist extrem peinlich, unseriös und behindert weitere Erkenntnisse, zu versuchen, eine falsche Hypothese mit untauglichen Mitteln zu verteidigen, um Projektgelder nicht zu verlieren.
Hier muss dringend gegengesteuert werden, denn weitere Messungen sind unbedingt notwendig. Zwar muss man davon ausgehen, dass die im Bericht vorgestellten Meßwerte an den vom Flughafen weiter entfernten Stationen durch andere Effekte besser erklärt werden können und ein Einfluss des Flughafens, zumindest unter den Bedingungen deutlich reduzierter Flugbewegungen während der Pandemie, dort nicht nachweisbar ist. In Raunheim und Schwanheim sieht man diesen Einfluss allerdings deutlich, und, da hat der Bericht ausnahmsweise recht, es "ist zu vermuten, dass bei zunehmend steigenden Flugbewegungszahlen der Einfluss weiter steigen wird" (S.22) und dort und an vielen anderen Stellen gesundheitliche Schäden verursacht.
Hoffen lässt die Ankündigung: "Drei der UFP-Messstellen sollen darüber hinaus als permanente UFP Messstellen (Raunheim, F-Schwanheim, F-Friedberger Landstraße) eingerichtet und perspektivisch auch in das German Ultrafine Aerosol Network integriert werden. Ziel ist es, harmonisierte und kontinuierliche UFP-Messungen hoher Qualität für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung zu stellen". Es wäre ein großer Fortschritt, die hier präsentierten dilletantischen Spekulationen durch solide wissenschaftliche Analysen zu ersetzen und die bisher gesammelten Daten endlich in vernünftiger Weise zu nutzen. GUAN bietet beste Voraussetzungen dafür.
Auch der geplante Einsatz eines "Mobilitätspartikelspektrometer mit besonders hoher zeitlicher Auflösung ... zur Anwendung insbesondere im Umfeld schnell veränderlicher UFP-Konzentrationen" wäre dringend notwendig, um den Einfluss der Flugbewegungen genauer zu untersuchen.
Wichtig wäre allerdings, dass sich im HLNUG endlich wieder jemand seriös um dieses Projekt kümmert, ein realistisches Meßprogramm auflegt und dafür sorgt, dass dieses Gerät da zum Einsatz kommt, wo ein Einfluss des Flugverkehrs in grösseren Entfernungen an anderen Flughäfen tatsächlich gemessen wurde und auch hier zu erwarten ist:
unter den Anflugrouten im Osten und Westen des Flughafens. Wenn die Daten umfassend präsentiert werden, kann man sich auch wieder fachlich über die Interpretationen streiten.
Einer geht - aber im Kern ändert sich nichts.
12.01.2022
Die
Meldung kam überraschend und stiess auf große Medien-Resonanz:
"Ryanair, Europas größte Fluggesellschaft, hat heute (Freitag, 7. Januar) bestätigt, dass sie ihre Basis in Frankfurt am Main zum 31. März 2022 schließen wird und die fünf Flugzeuge auf Flughäfen umverteilt, die mit niedrigeren Flughafengebühren reagiert haben, um die Erholung des Flugverkehrs zu fördern", teilte die Ryanair-Pressestelle mit.
Auch der angebliche Grund dafür wurde deutlich genannt: "In einer Phase der Erholung von Covid müssen die Flughäfen Anreize für die Erholung des Verkehrs schaffen. Leider hat sich Frankfurt, anstatt Anreize für die Erholung des Verkehrs zu schaffen, dafür entschieden, die Preise noch weiter zu erhöhen, wodurch Frankfurt im Vergleich zu europäischen Flughäfen nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Während Ryanair weiterhin in Deutschland investiert (wie die Investition von 200 Mio. USD in eine neue Basis in Nürnberg mit zwei Flugzeugen beweist), schützt die deutsche Regierung weiterhin etablierte Fluggesellschaften wie die Lufthansa, die 9 Mrd. EUR an staatlichen Beihilfen erhalten hat, anstatt diskriminierungsfreie Verkehrsrückgewinnungsprogramme einzuführen, die allen Fluggesellschaften offenstehen".
Damit haben alle, die nicht nach Ryanairs Pfeife tanzen, ihr Fett weg, und die meisten Medien
berichten wie gewünscht. Manche machen sich hauptsächlich
um Reisende und Angestellte Sorgen, aber meist gibt es auch ein paar kritische Anmerkungen, so z.B. dass Ryanair 2017
nur wegen des damaligen Incentive-Programms, das 2020 ausgelaufen ist, nach Frankfurt kam, oder dass der Ryanair-Anteil am Flugbetrieb in Frankfurt nur
im Schnitt bei rund drei Prozent gelegen hat.
Einige Wirtschaftsblätter weisen auch darauf hin, dass Ryanair
seine Wachstumspläne in der Mainmetropole niemals komplett realisieren konnte, oder benennen sogar Gründe,
warum Ryanair in Frankfurt gescheitert ist.
Auffällig ist allerdings, dass nirgendwo davon die Rede ist, dass Fraport in diesem Jahr durchaus ein
diskriminierungsfreies Verkehrsrückgewinnungsprogramm aufgelegt hat, das auch Ryanair nach anderthalb Jahren ohne Rabatte wieder Preisnachlässe gewähren würde. Natürlich sind diese Rabatte schwer kalkulierbar und von vielen externen Faktoren abhängig, aber wenn Ryanair seinen eigenen Prognosen glauben würde, müssten sie eigentlich davon ausgehen, dass es in Frankfurt im laufenden Jahr für sie nicht teurer würde als bisher. Wenn sie trotzdem weggehen, zeigt das nur, dass dafür andere Gründe maßgeblich sind.
Ohnehin hat Fraport ja den Entwurf der Entgeltordnung auch 2021 mit allen Beteiligten vorab abgestimmt, und anders als 2015, als das Ministerium
aufgrund eines Einspruchs der Airlines die Genehmigung ablehnte, hat diesmal wohl niemand offiziell protestiert.
Worum geht es also wirklich? Die oben zitierten Kernsätze aus Handelsblatt und Wirtschaftswoche deuten es an: Ryanair hat sich beim Versuch, am grössten deutschen Hub zu expandieren und hier relevante Marktanteile zu erobern, verkalkuliert. Die Basis konnte nicht auf die angekündigten hier zu stationierenden 20 Flugzeuge ausgebaut werden, sondern schrumpfte zuletzt auf nur noch fünf Maschinen. Auch der Marktanteil in Deutschland insgesamt blieb
mit 18,8% im Jahr 2019 hinter den Erwartungen zurück.
Nun korrigieren sie ihren Kurs, und das große Getöse dabei dient nur dazu, einerseits vom eigenen Scheitern abzulenken und andererseits
die immer gleichen Argumente erneut in die Öffentlichkeit zu bringen: der Luftverkehr braucht weniger Steuern, Gebühren und Auflagen, aber höhere Subventionen. Dabei zielt das Gerede von "effizienten Betriebsabläufen" und "wettbewerbsfähigen Gebühren" weniger auf Fraport - man
kennt sich schliesslich und weiss, was man voneinander zu halten hat - sondern vielmehr auf die (Provinz-)Flughäfen, die nun um die Ryanair-Gunst werben sollen.
Ähnlich seriös ist das Gerede von neuen "‘Gamechanger’-Flugzeugen", mit denen Ryanair das Wachstum in Europa ankurbeln will. Sie sind keineswegs neu im Sinn von fortschrittlich, sondern lediglich eine
schon 7 Jahre alte Modifikation eines
über 50 Jahre alten Flugzeugtyps, die unter dem alten Namen 'Boeing 737 MAX 8'
zwei Abstürze und einen Riesen-Skandal verursacht hat. Die Maschinen sind nach wie vor "inhärent instabil", aber mit einem schlechten Ruf, ein paar Sensoren mehr, einer neuen Software und vor allem mehr Sitzplätzen sind sie genau das, was Ryanair will: billig und profitabel. Die Umbennenung erfolgt nur
aus Image-Gründen.
Was bedeutet dieser Weggang nun für Fraport und die Rhein-Main-Region? Ein kleiner Rückblick hilft beim Verständnis. Fraport begann mit der
Endgeltordnung 2017, die bereits
im Jahr vorher angekündigte
strategische Orientierung auf
Billigflieger umzusetzen. Gleichzeitig wurde auch
Terminal 3 umgeplant, um dort einerseits einen Flugsteig speziell für Billigflieger einzurichten und zeitlich vorzuziehen, andererseits aber auch neue Luxus-Lounges für das Hochpreis-Segment zu integrieren. Inzwischen ist der Billig-Flugsteig
fast fertig, soll aber zunächst im "Ruhebetrieb" bleiben, bis etwa 2026 das gesamte Terminal fertig ist. Die Fraport-Strategie hatte von Anfang an
breite politische Unterstützung, auch wenn die etablierten Fluggesellschaften
Nachteile befürchteten und insbesondere Lufthansa
öffentlich auf Konfliktkurs ging. Dieser Konflikt wurde allerdings
relativ schnell beigelegt, weil Lufthansa zeitgleich Billigflieger-Geschäftsmodelle in ihren Konzern
integrierte und ausbaute, die bald auch auf FRA aktiv wurden.
Ryanair allerdings stand von Anfang an in der Öffentlichkeit
massiv in der Kritik, insbesondere wegen des extrem unsozialen Umgangs mit den Belegschaften und der häufigen Verletzung der Nachtflug-Beschränkungen, und hatte auch bald mit
diversen Krisenerscheinungen zu kämpfen. Nach
einigem Auf und Ab und zeitweisen Zugeständnissen an Belegschaften und Bevölkerung war der Krisenzustand mit der Corona-Pandemie wieder erreicht, und aktuell wird Ryanair von ihren Piloten nach wie vor als
Social Misfit (sozialer Aussenseiter) eingeschätzt, 75% der geplanten Flüge im Januar fallen aus, und am 31.03. ist in Frankfurt komplett Schluss.
Viel ändern wird sich dadurch nicht. Schon vor der Pandemie war klar, dass Ryanair zwar der auffälligste, aber bei weitem nicht
der lauteste Krachmacher war. Im Rekordjahr 2019 war die Zahl der Flüge nach 23:00 Uhr sogar
wieder zurückgegangen, und Ryanairs Anteil daran fiel nicht zuletzt deshalb, weil die Ferienflieger-Töchter des Platzhirschs Lufthansa inzwischen ebenfalls hier aktiv geworden waren. Die sollen, wenn die Pandemie es zulässt, in diesem Jahr
weiter expandieren. Mit Eurowings, Eurowings Discover, Wizz Air und den kleineren Aer Lingus, Blue Air und und Nouvelair sind nach wie vor einige explizite Billigflieger in Frankfurt aktiv, dazu kommen die Billig-Sektoren anderer "Premium-Airlines" und Charter-Flieger mit ähnlichen Geschäftsmodellen - genug, um Fraport hoffen zu lassen, den Billig-Teil ihres Terminal 3 auslasten zu können.
FRA wird
Tourismus-Hub bleiben wollen, und die Punkt- zu Punkt-Verkehre im Mittelstreckenbereich, die den Kern der Geschäftsmodelle der Billig- und Charter-Flieger bilden, werden, wenn die Planungen wahr werden, hier eine immer grössere Rolle spielen. Zwar haben die Billigflieger 2019
nur knapp 5% ihrer Flüge von deutschen Flughäfen über FRA abgewickelt, aber da Lufthansa-Töchter in Deutschland einen stabilen Marktanteil von rund 50% haben und auf FRA expandieren wollen, gibt es da noch viel Potential.
Der Weggang von Ryanair ist sicher kein Grund zur Trauer, aber auch kein Anlass für unbändige Freude. Ob sie nun
Auf Nimmerwiedersehen verschwinden oder irgendwann wieder hier auftauchen, wird im Wesentlichen davon abhängen, ob die Absicht der Fraport, immer mehr Verkehr auf FRA zu bündeln und die Bedingungen dafür so günstig wie möglich zu gestalten, umgesetzt werden kann.
Langfristig ist das unmöglich, denn wenn die Wachstumspläne der Luftverkehrswirtschaft umgesetzt würden, würde nicht nur die Region unbewohnbar, es gäbe auch keine Tourismus-Ziele mehr, die von der Klimakatastrophe verschont bleiben würden. Auf dem Weg dahin würde es allerdings schon bald so ungemütlich werden, dass es sich lohnt, jetzt schon dagegen vorzugehen. Und kurzfristig wird es, falls die Ferienflüge im Sommer tatsächlich wieder boomen, sowieso nachts wieder lauter - auch ohne Ryanair. Was die Region braucht, ist nicht der Austausch eines Billigfliegers gegen andere, sondern ein Nachtflugverbot von 22 - 6 Uhr und eine Deckelung der Zahl der Flugbewegungen auf ein Maß, das mit Gesundheits- und Klima-Schutz verträglich ist. Und dafür muss das Geschäftsmodell "Billig fliegen" insgesamt beerdigt werden.
04.01.2022
Jahreswechsel sind üblicherweise Anlass, Bilanz zu ziehen: was hat das vergangene Jahr gebracht, was ist im neuen zu erwarten? Für Flughafen-Anwohner sind dabei besonders zwei Themenbereiche interessant: wie haben sich der Flugverkehr und seine diversen, meist negativen Wirkungen entwickelt, und was passiert in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion darüber?
Zum ersten Themenkomplex liefert ein aktuelles
Denkpapier von
Eurocontrol eine Menge statistischer Daten darüber, wie sich der Flugverkehr während der Pandemie entwickelt hat und welche Sektoren wie stark betroffen waren.
Demnach war 2021 "nicht substantiell besser" als 2020, obwohl alle Kennzahlen sich verbessert haben - aber eben nicht genug. Der Verkehr war europaweit 44% niedriger als 2019, im Norden mehr (-55% bis -62%), im Süden weniger (-8% bis -27%). Die finanziellen Verluste der Fluggesellschaften lagen immer noch bei knapp unter 20 Milliarden Euro, weil knapp 1,5 Milliarden weniger Passagiere befördert wurden.
Im Staatenvergleich hat Deutschland einen überdurchschnittlichen Rückgang in der Zahl der Flüge (-50%), aber absolut immer noch die höchste Gesamtzahl (knapp über 1 Million). Lufthansa fiel in den Top Ten der durchschnittlichen täglichen Flüge von Platz 3 auf Platz 4 und wurde von Turkish Airlines und Air France überholt, während easyJet von Platz 2 auf Platz 5 fiel. Auf Platz 1 blieb unangefochten Ryanair, trotz eines Rückgangs von 43%.
Von den 'Marktsegmenten' ist bemerkenswert, dass der Frachtflug um fast 10% zugelegt und seinen Marktanteil von 3% auf 6% verdoppelt hat. Auch der
Geschäftsflugverkehr ("Business Aviation") hat um 3,5% zugelegt und damit seinen Marktanteil ebenfalls fast verdoppelt (von 6,4% auf 12%). Die Geschäfts-Elite nimmt eben oft nicht die Videokonferenz, sondern den
wesentlich schmutzigeren Privat-Jet, wenn ein passender First-Class-Linienflug nicht zur Verfügung steht. Auch sog. "non-scheduled flights", also alles, was nicht nach Fahrplan fliegt, sondern individuell ausgehandelt wird, haben nur um knapp 8% abgenommen.
Entsprechend sind die drei Betreiber, deren Flüge 2021 gegenüber 2019 zugelegt haben, alle Frachtflieger. An der Spitze steht DHL mit einer Zunahme der Anzahl Flüge von 15%.
Auch ein paar Aussagen zur 'Nachhaltigkeit' gibt es. So wird stolz berichtet, dass der CO2-Ausstoss stärker zurückgegangen ist als die Zahl der Flüge (50% gegenüber 45,3%), u.a. deshalb, weil der Luftraum über Europa weniger überlastet war, weniger Verspätungen vorkamen und direktere Routen geflogen werden konnten. Rund 75% der Emissionen gingen auf das Konto von Langstreckenflügen (>1.500 km), die nur einen Anteil von 28,5% an der Gesamtzahl der Flüge hatten, während Kurzstreckenflüge unter 500 km mit etwa dem gleichen Anteil nur gut 4% zu den Emissionen beitrugen.
Auch kleine Fortschritte in der Flottenerneuerung werden berichtet, aber nicht quantifiziert. Die Schlussfolgerung aus alldem versuchen wir hier mal wörtlich zu übersetzen: "Während alle Luftfahrt-Akteure die Notwendigkeit verinnerlicht haben, nachhaltiger wieder aufzubauen, hat das Tempo der Veränderung - besonders bei der Bereitstellung nachhaltiger Treibstoffe - noch nicht begonnen zu beschleunigen". Das ist eine freundliche Umschreibung dafür, das alles so weitergehen soll wie vorher.
Entsprechend befassen sich die Prognosen damit auch garnicht, sondern konzentrieren sich darauf, welche Wachstumsraten bei der Zahl der Flüge erreicht werden könnten. Dafür werden drei Szenarien präsentiert, und sowohl das 'hohe' als auch das 'wahrscheinlichste' sagen in etwa das voraus, was Fraport durch finanzielle Anreize erreichen möchte: 2022 sollen bereits fast 90% der Zahl der Flugbewegungen von 2019 wieder erreicht werden, und spätestens ab 2024 soll der Verkehr wieder darüber hinaus wachsen. Im 'niedrigen' Szenario dauert es auch nur bis 2027, bis dieser Punkt wieder erreicht ist. Von notwendigen Beschränkungen für den Schutz das Klimas also keine Spur.
In Politik und Gesellschaft sieht es nicht besser aus. Zwar geniesst die Klimaschutz-Bewegung nach wie vor breite Unterstützung in der Bevölkerung, die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich durch das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein gutes Stück verbessert, und es gab auch durchaus interessante Initiativen gegen die
Exzesse der Luftverkehrswirtschaft, aber politisch wirksam geworden ist davon wenig. Noch hat die Haltung der Parteien zur drohenden Klimakatastrophe wenig Einfluss auf die Entscheidungen des Wahlvolks, das sich diesbezüglich mit billigen Versprechungen, die die propagierten Ziele
nicht erreichen können, beruhigen lässt. Und für die praktische Politik hierzulande spielt insbesondere der Klimaschutz im Luftverkehr
für die neue Regierung so wenig eine Rolle wie
für die alte.
Bei den Themen
Schutz vor Fluglärm und
Schadstoff-Vermeidung hat man es ebenfalls häufig mit staatlichen Institutionen zu tun, die wenig zur
Lösung vorhandener Probleme beitragen oder sogar selbst noch
neue produzieren. Diese Probleme werden uns auch in diesem Jahr weiter begleiten.
Und auch auf europäischer Ebene geht es weiter wie gehabt. Die EU-Kommission hat die internationale Glaubwürdigkeit ihres viel beschworenen 'Green Deal' gerade massiv infrage gestellt mit einem
Hinterhof-Deal, der Investitionen in Nuklearenergie und fossiles Gas als "nachhaltig" einstufen will. Der Entwurf muss noch von Parlament und Rat abgesegnet werden, aber die Mehrheiten dürften sicher sein, zumal auch die Bundesregierung
keinen konsequenten Widerstand leisten will. Zwar spricht Vizekanzler Habeck in Bezug auf die Kernenergie von
Etikettenschwindel, aber Kanzler Scholz hat den Deal schon
gerechtfertigt, und 'Schattenkanzler' Lindner ist
zufrieden, weil "Technologie-Offenheit" ja generell das Zauberwort ist, mit dem die FDP die Wirtschaft vor allzu belastenden Klimaauflagen schützen will.
Dieser Vorschlag war auch deshalb zu erwarten, weil zwar niemand darüber redet, aber allen Beteiligten klar ist, dass Frankreich als einzig verbliebene offizielle Nuklearmacht in der EU ein ziviles Kernenergieprogramm
zur Absicherung des militärischen Programms braucht. Die neue Bundesregierung will zwar am Ausstieg aus der nuklearen Stromerzeugung in diesem Jahr festhalten, aber nicht vollständig aus der
zivilen Nutzung der Kernenergie aussteigen, und auch die Haltung zur militärischen Nutzung lässt
viele Fragen offen.
In der Luftverkehrspolitik dominiert ebenfalls das "Weiter so". Die EU-Kommission hat 2019 die
Evaluierung einer
Verordnung eingeleitet, die sie als "den grundlegenden Rechtsakt zur Organisation des EU-internen Luftverkehrs-Marktes" betrachtet. Sie "regelt die Genehmigung von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, das Recht von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft, innergemeinschaftliche Flugdienste durchzuführen, und die Preisfestsetzung für innergemeinschaftliche Flugdienste". Da die Evaluierung Veränderungsbedarf ergeben hat, wurde gemäß dem üblichen Verfahren die
Überarbeitung eingeleitet.
Die in der Evaluation entwickelten Änderungsvorschläge sind noch, wie die gesamte Verordnung, eindeutig geprägt von der bisherigen ausschließlich
neoliberalen Orientierung der Luftverkehrspolitik der EU, die nur auf Wachstum, Privatisierung und Wettbewerb setzt. Umweltprobleme werden zwar, u.a. mit einem Verweis auf einen
Bericht der Europäischen Umwelt-Agentur, erwähnt, aber mit Hinweis auf
Maßnahmen wie den europäischen Emissionshandel und CORSIA abgetan.
Mit der Verabschiedung der
Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität Ende 2020 hat sich zumindest der Ton etwas geändert. Gemäß dem dort verankerten Grundsatz "Verkehrswachstum darf es künftig nur bei grüner Mobilität geben" enthalten alle Vorschläge der EU-Kommission zum Verkehrssektor nun zumindest einen Passus zur Vereinbarkeit mit dem 'Green Deal'. Infolge dessen enthält das erste für die Überarbeitung der Verordnung vorgelegte Dokument als mögliche Ziele auch Dinge wie "Nachhaltigkeitskriterien", "Luftverkehr auf einigen Strecken beschränken", "Fußabdruck von Flügen" transparent machen, "Messung der Emissionen aus Verkehr und Logistik" und ähnliches. Damit ist zumindest angedeutet, dass diese Verordnung der Ort sein könnte, an dem die Umsetzungen wichtiger Forderungen der Umwelt- und Klimabewegung, wie das Verbot von Kurzstreckenflügen, rechtlich verankert werden könnten.
Dass sich damit real etwas verändert, bleibt allerdings höchst zweifelhaft. Selbst wenn die Kommission hier vorpreschen und solche Ziele in die Verordnung hineinschreiben wollte, könnten das keine verbindlichen Vorgaben sein. In der derzeitigen Struktur könnte sie bestenfalls den Mitgliedsstaaten Möglichkeiten einräumen, Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele zu beschliessen.
Aber selbst dafür gibt es bisher kaum Unterstützung. Unter den
Rückmeldungen zu dem Sondierungs-Papier findet sich nur eine von
Greenpeace, die versucht, konkrete Vorschläge dafür zu machen, indem sie eine (eher bescheidene) Umformulierung des "Umwelt-Artikels" 20 der Verordnung vorschlägt. Damit sollen (zeitlich befristete) Betriebsbeschränkungen aus Umweltschutzgründen nicht mehr wie bisher erschwert, sondern erleichtert werden. Eine weitere
Stellungnahme von Bill Hemmings, früher in der NGO 'Transport & Environment' für den Bereich Luftfahrt tätig und heute unabhängiger Consultant, listet noch eine ganze Reihe umweltpolitischer Schwachstellen der Evaluation auf, formuliert aber kaum Alternativen.
Auf der anderen Seite bringt sich ein Heer von Luftfahrt-Lobbyisten,
allen voran der BDL, bereits in Stellung, um solche Ansätze von vorneherein abzuwürgen. Die Stellungnahme des 'Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur' (datiert vom 06.12., also möglicherweise noch von der alten Bundesregierung veranlasst) kümmert sich garnicht um Umweltfragen, sondern behandelt nur wirtschaftliche und finanzielle Aspekte.
Inwieweit sich daran in der nun anstehenden zweiten Phase der Überarbeitung, der Öffentlichen Konsultation, viel ändern wird, ist noch offen. Um den rechtlichen Rahmen für
Degrowth-Konzepte, wie sie schon seit einigen Jahren
für den Flugverkehr diskutiert werden, bilden zu können, müsste diese Verordnung komplett umgeschrieben werden. Die Aussichten, das in dieser Phase durchzusetzen, sind gleich Null.
Ob sich wenigstens die eine oder andere Änderung erreichen lässt, die weitere Verschlechterungen verhindern und Türen zu jetzt schon möglichen, punktuellen Maßnahmen öffnen könnte, wäre schnellstmöglich zu diskutieren. Natürlich wird auch z.B. ein Verbot von Ultrakurzstreckenflügen nicht im Gerangel um juristische Texte durchgesetzt. Wenn aber politische Mehrheiten dafür organisiert werden können, muss auch der juristische Rahmen angepasst werden, um solche Maßnahmen langfristig stabil zu verankern.
Auch 2022 wird es tausendmal wichtiger sein, mit der Klimabewegung auf die Strasse zu gehen, die Öffentlichkeit über die Folgen der Klimakatastrophe und die notwendigen Maßnahmen dagegen aufzuklären und politischen Druck für entsprechende Forderungen zu entwickeln. Das heisst aber nicht, dass es keinen Sinn machen würde, auch innerhalb institutioneller Strukturen Argumente und Forderungen vorzubringen und Druck zu machen. Es kann begleitend wirksam werden, Rahmenbedingungen verbessern - und es ist ein Betätigungsfeld für alle, die etwas gegen den Wachstumswahn der Luftverkehrswirtschaft tun wollen, die aber mit
Aktionen zivilen Ungehorsams,
direkten Aktionen u.ä. ihre Probleme haben.
Wer also bisher angesichts des Bergs an Problemen und der ausbleibenden greifbaren Erfolge nach dem alten Sponti-Motto gehandelt hat, "es gibt viel zu tun - nichts wie weg", sollte überlegen, diese Haltung zu ändern. Es ist sicher nicht zu früh - und vielleicht auch noch nicht zu spät.
Ältere Nachrichten befinden sich im Archiv.